MALMOE

Editorial 90

MALMOE 90, Dezember 2019

Warum verhält sich Donald Trump eigentlich so seltsam? Der Musiker, Medienpionier und Unternehmer Jaron Lanier hat dafür eine überraschende und einleuchtende Erklärung: Trump sei twitterabhängig. Twitter macht auch aus liebenswürdigen und differenzierten Menschen zuweilen Monstren, seine Wirkung aber auf den moralischen Totalausfall Trump ist verheerend. Der Schaden entsteht laut Lanier dadurch, dass die algorithmischen Maschinen laufend die sozialen Netze nach Punkten „hoher Energie“ durchsuchen. Diese Energie lässt sich am schnellsten durch Missgunst, Verachtung und Streit erreichen. Sie kann sich auch durch Zuneigung, Aufmerksamkeit und Harmonie bilden, nur dauert dies länger. Folglich suchen die Algorithmen Streit und hetzten die beteiligten Twittervögelchen aufeinander. Dies erzeugt eine Suchtwirkung. An der Person Trumps lässt sich der typische Suchtzyklus nachweisen, zu dem die langen „Downs“ einer fortwährenden Anfeindung gehören und die seltenen „Ups“, der überbordenden und euphorisch erlebten Anerkennung. Mit so einer Matschbirne lässt sich keine politische Diskussion mehr führen. Was lässt sich dagegen tun? Jaron Lanier hat keinen anderen Tipp, als aus den sozialen Medien auszusteigen um sich wieder der Wirklichkeit zuzuwenden und auch wieder analoge Medien zu nutzen. Da hat er wohl nicht ganz Unrecht.

MALMOE gibt es übrigens auch im Internet. Neu, übersichtlich und schön. Unbedingt unter malmoe.org mal vorbeischauen. Und ja, wir bewerben unsere Artikel auch zaghaft über Socialmedia, weil wir auf diese Verbreitung um unserer Autor*innen willen nicht verzichten wollen. Wichtiger als ein Twitter-Streit ist uns aber die umfassende Analyse. Zum Beispiel fragen wir uns in dieser Ausgabe in einem Schwerpunkt eben danach, was die Algorithmen eigentlich aus uns machen. Wir beleuchten das dunkle Kapitel NSU und wagen den Blick nach Chile. Übrigens, wer uns mal die Meinung persönlich sagen will zu unseren Analysen (und Polemiken), oder uns einfach einmal zu unserer Arbeit beglückwünschen möchte, komme doch bitte zu unserer Ausgabenpräsentation in den Wiener Spitzer am 19.12. Lesungen und Musik, gemeinsam mit den Kolleg*innen von skug organisiert, versprechen einen schönen, leicht absurden vorweihnachtlich Abend zu bieten.

Herzlichst
die MALMOE-Redaktion