MALMOE

Zusammen­denken, was zusammen­gehört

Queering Psychoanalysis versucht Perspektiven der Queer Theorie und der Psychoanalyse zu verknüpfen

Der Titel des Werks beschreibt das Programm: Der Sammelband versteht sich als Verbindungsstück zwischen der Psychoanalyse und queeren Begehrens- und Lebensweisen. Es geht um eine abwechselnde Symbiose von Queer Studies und der Theorie der Psychoanalyse mit dem Ziel, Einfluss auf psychoanalytische Praktiken zu nehmen.

Die jeweiligen Annäherungen, Vermischungen und Neuordnungen dienen laut den Herausgeber_innen einer abwechselnden und wechselseitigen Problematisierung sowie einem Abbau von Vorurteilen in den Disziplinen. Die Sammlung an Texten greift zum einen den schon länger geführten angloamerikanischen Diskurs auf und stellt ihm zum anderen weitere Texte aus dem deutschsprachigen Kontext zur Seite. Dies ist zu begrüßen: Der Mix aus Übersetzungen und Neuveröffentlichung ergänzt und erweitert den bestehenden Diskurs.

In dem aus einer Forschungswerkstatt mit gleichnamigem Titel hervorgegangenen Band kulminiert die reiche Erfahrung der Herausgeber_innen. Der Umfang des Werkes spricht dabei für sich: In 17 Beiträgen auf über 600 Seiten breitet sich die Komplexität des Themenbereiches aus. Die Philosoph_in Esther Hutfless und die Jurist_in Barbara Zach sind derzeit beide in Ausbildung beim Wiener Arbeitskreis für Psychoanalyse. Die akademischen Hintergründe der Herausgeber_innen hinterlassen ihre Spuren in den gesetzten Schwerpunkten und Perspektiven der Artikel.

Es finden sich u. a. Veröffentlichungen von Lee Edelman, der 2004 mit No Future ein viel beachtetes Buch veröffentlicht hat. Im hier veröffentlichten Artikel schreibt er über eine strukturelle „Logik um Queerness als Nicht-Sinn“ (338) und arbeitet mit Lacan heraus, wie sich queere Kategorisierungen (Terrorist, Frau, Subalterne) „gegen das Leben an sich zur Wehr setzten“. Darüber, so der Autor, wird auf etwas „von ‚der Welt‘ unmöglich Gemachtes“ (304) hingewiesen.

Eine weitere Autorin ist die Londoner Psychoanalytikerin Anne Worthington. Sie schreibt sehr nahe an dem allgemeinen Programm des Sammelbandes: die Herausarbeitung der schon seit Freud immanent vorhandenen queeren Elemente in der Psychoanalyse. Vornehmlich mit Lacan versucht sie gegen jene Vorurteile aus der Queer Theorie anzuschreiben, die der Psychoanalyse „eine mörderische Heteronormativität vorwerfen“ (453). Dabei betont sie eine konzeptionelle Offenheit der Lacanschen Psychoanalyse – ganz im Interesse queerer Interventionen – fixe Identitäten aufzubrechen. Gleichzeitig wird der Einfluss der Queer Theorie auf die sozialen Praxen der Psychoanalyse positiv hervorgehoben.

Ein weiterer Beitrag dreht sich um die Frage und Kritik des Identitätsdenkens der Psychoanalyse und ist von Esther Hutfless selbst verfasst. Sie rekonstruiert die Ideen eines postmodernen Subjekts aus der Perspektive der Psychoanalyse und der Queer Theorie. Appelliert wird mit Julia Kristeva für ein Konzept des queeren, im Werden begriffenen Subjekts. Dieses sei durchaus mit den psychoanalytischen Subjekttheorien und Positionen vereinbar, wenn es von Praktiker_innen der Psychoanalyse nicht verworfen, pathologisiert und ins Abseits gedrängt wird.

Die Artikel sind zugänglich geschrieben und bieten sowohl für Einsteiger*innen als auch für erfahrene Lesende eine spannende und bereichernde Lektüre. Die Textsammlung schreit förmlich nach Lesekreisen und Interventionen, die wie das Werk am Aufbrechen der zentralisierenden Machtstrukturen anknüpfen.

Esther Hutfless, Barbara Zach (Hg.): Queering Psychoanalysis. Zaglossus Verlag, Wien 2018