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“Selbstorganisierte Projekte sind eine Lehrschule fürs Leben” – Interview mit dem Infoladen Wels –

Kein ruhiges Hinterland: Infoladen Wels

Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir sind ein loser Zusammenschluss von Menschen, die sich als politisch links verstehen. Unser Grundkonsens ist Antikapitalismus, Antifaschismus, Antisexismus, die Grundhaltung ist anarchistisch.
Wir betreiben einen Laden, wo sich Menschen treffen können, ohne angemacht oder herabgewürdigt zu werden. Die Egalität ist uns wichtig und ein zentrales Moment im Anarchismus. Zu den Öffnungszeiten treffen sich die unterschiedlichsten Leute: Schüler_innen, Anrainer_innen, Pensionist_innen, Hackler_innen, Sozialarbeiter_innen, Lehrlinge, … Es wird über gesellschaftliche Themen diskutiert, über Regional-, Tages- und Weltpolitik, das Leben in der Stadt, in der Arbeit oder an anderen Orten.
Unter anderem sind wir eine Buchhandlung, wo jede_r Bücher bestellen kann.

Euch gibt es jetzt seit 25 Jahren. Wie blickt ihr auf die Zeit zurück?

Es sind nur mehr wenige der Leute, die 1998 bei der Gründung dabei waren, nach wie vor im Infoladen aktiv. Im Laufe der mittlerweile Jahrzehnte haben viele verschiedene Menschen mehr oder weniger lang und intensiv im Infoladen mitgewirkt. Es kommen immer wieder neue Leute zu dem Projekt dazu, andere verlassen den Infoladen aus verschiedenen Gründen. Man kann sicher sagen, dass es eine gute Zeit war, in der wir zahlreiche Veranstaltungen (Vorträge, Buchpräsentationen, Konzerte – zum Beispiel die Konzertreihe If I can‘t dance to it… –, politische Aktionen wie die Burggartenbesetzungen) durchgeführt haben, aber auch viel für uns selbst gelernt haben. Wir haben es erfolgreich geschafft, neonazistische Machenschaften an die Öffentlichkeit zu bringen oder auch einschlägige Konzerte zu verhindern. Es gab natürlich auch Krisenzeiten und es ist nicht leicht, in einer Kleinstadt wie Wels ein linkes Projekt über einen solch langen Zeitraum am Laufen zu erhalten, allein schon finanziell.
Einen bleibenden und schönen Eindruck hat der Prozess der Politisierung hinterlassen, der bei vielen Ladenmitgliedern bis heute wirkt. Selbstorganisierte Projekte sind eine Lehrschule fürs Leben.

Was hat sich in der Zeit verändert?

Wie schon erwähnt, viele verschiedene Leute haben in der Zeit beim Laden mitgewirkt, ein häufiger Grund für Veränderungen war, dass Menschen zum Studieren umgezogen sind. Manche von uns sind nun auch bereits in einem mittleren Alter, somit bleibt wegen Beruf, Familie und so weiter weniger Zeit für politische Aktivitäten.
Für den Infoladen als anarchistische Initiative hat sich seit der Gründung viel verändert. Entstanden ist der Infoladen im Jahr 1998. Die Leute hatten noch kein Handy und das Internet war im Entstehen. Reale Treffpunkte erfüllten besonders für junge Menschen wichtige soziale Funktionen. Dies verstärkt den Wunsch nach basisdemokratischen Strukturen. Man pflegte Freundschaften, tauschte sich aus, machte Fanzines und wollte nebenbei die Welt an der Wurzel verändern. Es war viel Spaß dabei und man hatte das Gefühl, dass es sich lohnt, für die Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen. Dazu gehörte ein eigener Raum ohne Konsumzwang, den wir organisierten und in dem sich gesellschaftlich ausgelebt wurde.
In den 2000er Jahren gab es in Wels insgesamt mehr subkulturelle beziehungsweise „linke“ Angebote, zum Beispiel mehrere linke Pubs, diese sind mittlerweile geschlossen. Auch gab es in Oberösterreich sicher weitaus mehr linke Demos, Veranstaltungen und Aktionen als heute und mehr Leute, die den Infoladen frequentiert haben. Zum Beispiel gab es in dieser Zeit auch in Linz und Steyr Infoläden. Das dürfte unter anderem mit einer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung zu tun haben, bei der sich politischer Aktivismus manchmal nur mehr auf soziale Medien, auf das Klicken von Likes oder das Schreiben von Twitter-Postings beschränkt.
Der Infoladen Wels hat sich in den letzten Jahren von einer politischen Gruppe, die beispielsweise im Bereich Antifa-Recherche oberösterreichweit sehr aktiv war – wir haben unter anderem zum neonazistischen Bund freier Jugend viel gemacht – wieder mehr zu einem linken Treffpunkt entwickelt. Der Infoladen ist zu einer Institution geworden, was sich auch in der Nutzung widerspiegelt. Er hat sich zu einer Infrastruktur entwickelt, die für Projekte, Treffen et cetera zum Teil anlassbezogen genutzt wird.
Die Öffnungszeiten sind heute mit vier Stunden pro Woche wesentlich kürzer als im ersten Drittel unseres Bestehens. Die Gründungsgenerationen hatten die finanziellen Mittel selbst aufzustellen und es wurde damals viel organisiert. In den ersten 2000er Jahren hatten wir mit knapp fünfzig Quadratmeter unser größtes Lokal. Mittlerweile sind wir am Stadtplatz 39/20 in einem kleineren aber dafür schicken Altstadtlokal.

Wie sehr war die Wahl von Andreas Rabl, dem amtierenden FPÖ Bürgermeister 2015, eine Zäsur? Oder waren rechtsextreme Politikinhalte auch schon vorher dominant in der Stadt?

Der Wahlsieg der FPÖ in Wels ist zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf das Versagen der jahrzehntelang regierenden SPÖ zurückzuführen, diese hat sozusagen den Boden für Rabl bereitet – ein Phänomen, das ja nicht nur auf Lokalebene bekannt ist. Der Rechtsextremismus wurde generell seit Schüssel immer salonfähiger. Rechtsextreme Einstellungen waren bereits vor Rabl vorhanden. Unter der SPÖ-Regierung waren fragwürdige Entwicklungen wie zum Beispiel Innenstadtvertreibung durch Alkoholverbote in öffentlichen Bereichen, die Einführung der Stadtwache oder die Weigerung zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit (Stichwort: „Braune Flecken“) ein Thema. Rabl macht dort weiter, wo die SPÖ aufgehört hat. Zudem versteht er es recht gut, die Menschen zu beeindrucken. Reale Fakten spielen dabei weniger eine Rolle. Der gelernte Jurist Rabl ist ein Neoliberaler, der keine Berührungsängste zum rechten Rand hat. Über allem steht Marketing und der Schrei nach Aufmerksamkeit: Er macht dies mit Sonntagsreden, die er an das jeweilige Publikum anpasst. Ein zweiter Schmäh ist das Spiel „bad news are good news“ (Kinderlieder-Thema, Medienkulturhaus Wels (MKH), November 1938-Kundgebung…). Man hat das Gefühl, dass er Provokation nutzt, um einerseits in die Medien zu kommen und andererseits den rechten Bodensatz bei Stange zu halten. Im Wesentlichen verfolgt er seine eigene machtpolitische Agenda und möchte die Stadt zu einer Rabl-Stadt machen (Stichwort Neubau der Businsel am Kaiser-Josef-Platz um über sieben Millionen Euro, Stärkung FPÖ-naher Vereinsstrukturen wie Abenteuer Familie oder Treffpunkt Wels). Gewachsene Strukturen (wie das Freiwilligenzentrum Wels, FreiRaumWels, MKH,…) sind gefährdet.

Wie ist die Situation für linke, subkulturelle Orte wie dem Alten Schlachthof?

Insgesamt ist zu beobachten, dass die FPÖ gezielt versucht, im subkulturellen bzw. politisch nicht genehmen Bereich Einfluss zu gewinnen oder diesen nach ihren Vorstellungen zu gestalten, diesen teilweise auch auszuhungern. Dem städtisch finanzierten FreiRaumWels (ein kostenloser Raum für Bürger_innen) hat Rabl als Finanzreferent im Alleingang den Mietvertrag gekündigt. Nun gibt es ein neues Lokal im (weitaus dezentraleren) Alten Schlachthof. Das seit zwanzig Jahren bestehende Medienkulturhaus hat Rabl in einen Ausschreibungsprozess gezwungen. Es gab nur drei Bewerber, von denen einer das MKH war, die anderen zwei waren Medienunternehmen, die der FPÖ-Inszenierung viel Raum geben. Kulturpolitisch sind das keine guten Zeichen. Das MKH konnte die Ausschreibung für sich entscheiden. In kommerziellen Bereichen ist die FPÖ nicht so sparwütig, wenn es zum Beispiel um das Organisieren von kostenlosen Konzerten geht, um der lokalen Wirtschaft Publikum zu bescheren, Stichwort „Brot und Spiele“. Leider wird dieses Konzept nur von wenigen Menschen hinterfragt. Ein perfektes Marketing hat in Wels die Politik überlagert. Hinzu kommt die Schwäche von Akteur_innen, die sich noch in der Zeit der SPÖ-Dominanz wähnen und so tun, als ob alles beim Alten wäre, was vom „Team Rabl“ ausgespielt wird. Rabl setzt sehr stark auf Marketing und Medienarbeit. Der Inhalt ist dabei zweitrangig. Unabhängigen und investigativen Medien kommt deshalb eine demokratiepolitisch wichtige Rolle zu.

Im Jahr 2016 forderte Andreas Rabl, dass jedes Kindergartenkind fünf deutsche Gedichte und Volkslieder interpretieren können sollte, 2021 stellte er die so genannte Welser Hausordnung, mit fünf zentralen Regeln, vor. Was wurde aus den Plänen, und ist Andreas Rabl besessen von der Zahl fünf?

Bei der Politik Rabls ist sehr viel Luft drinnen. Er führt ein Showgeschäft und will damit erreichen, dass über ihn als „Macher“ gesprochen wird. Er ist ein gewiefter Politiker, der es über diesen Weg zu verstehen weiß, in den Köpfen der Leute rechte Einstellungen anzusprechen. Vernünftige Leute lachen darüber oder schütteln bestenfalls den Kopf. Weniger vernünftige Leute klopfen sich auf die Schenkel.

Was braucht ihr und wie kann man euch unterstützen?

Leute, die für eine bessere Welt politisch aktiv werden wollen. Den Infoladen kann man konkret durch Bücherkäufe, eine Vereinsmitgliedschaft oder Spenden unterstützen.

kvinfoladenwels.wordpress.com
Stadtplatz 39/20, 4600 Wels, info@infoladen-wels.at, Öffnungszeiten: Do 17-21 Uhr