MALMOE

Kein ruhiges Hinterland#2: Gegen die ewiggestrige Kontinuität

Viele Baustellen für antifaschistische Interventionen

Auch in Salzburg wurde der Bevölkerung der Nationalsozialismus im März 1938 keineswegs plötzlich von außen aufgezwungen. Vielmehr hatte die politische Rechte hier bereits seit Jahrzehnten den Boden für völkischen Nationalismus und „Herrenmenschen“-Denken bereitet, ganz zu schweigen vom jahrhundertelang von den Salzburger Fürsterzbischöfen geschürten Antisemitismus. So hatten sich in der Stadt Salzburg deutschnationale Kreise bereits um die Jahrhundertwende mit einer Jahn-Statue im Zentrum der Stadt einen öffentlichen Bezugspunkt geschaffen, der immer wieder zum Anlaufpunkt ihrer öffentlichen Agitation wurde. Der Rest des Bundeslands stand dem nicht nach. Schon Anfang der 1920er-Jahre erklärten sich Tourismusorte wie Mattsee als „judenfrei“. Wurde derartigem Treiben bereits in den Jahren der Ersten Republik keinerlei Steine in den Weg gelegt, bedeuteten die Jahre der austrofaschistischen Herrschaft einen weiteren Schlag gegen eine aufgeklärte und liberale Gesellschaft. Nun geriet die politische Linke vermehrt ins Visier der Behörden. Zwar wurden ab 1934 auch die nun illegalisierten Nationalsozialistinnen behördlich verfolgt, doch konnten diese nicht zuletzt wegen der direkten geografischen Nachbarschaft zu NS-Deutschland zunehmend Präsenz zeigen.

Auf dieser Basis gelang auch in Salzburg 1938 ein weitgehend „reibungsloser“ Transfer von der einen faschistischen Diktatur in die andere. Der Terror, den die neuen Machthaber mit Unterstützung bzw. Duldung breiter Teile der Salzburger Bevölkerung nun gegen jene ausübten, die aus politischen oder „rassischen“ Gründen nicht in die imaginierte „Volksgemeinschaft“ passten, stellte allerdings die Repression der Jahre davor in den Schatten. Während nur ein kleiner Teil der Bevölkerung mutigen Widerstand gegen das Regime leistete, wurden weitaus mehr Salzburgerinnen auch weit über die Grenzen des Bundeslands hinaus zu Täterinnen.

Von all dem war nach 1945 nichts zu hören: Die Gesellschaft blieb über Jahrzehnte durch die „Kriegsteilnehmer“-Generation geprägt. Im ganzen Bundesland poppten Kriegerdenkmäler wie Champignons aus dem Boden. „Veteranen“ sammelten sich in Traditionsverbänden und (ehemalige) Austrofaschisten und Nationalsozialisten konnten einmal mehr in gesellschaftlich und politisch tonangebende Stellungen aufrücken. Die Opfer der beiden Regime bzw. diejenigen, die es gewagt hatten, sich dagegen aufzulehnen, blieben hingegen weitgehend marginalisiert.

Erst in den 1980er-Jahren kam es zu tiefergehenden Auseinandersetzungen um Salzburgs Vergangenheit: nach Nationalsozialisten benannte Straßennamen wurden problematisiert, ewiggestrige Erinnerungsorte angegriffen, revisionistische Veteranentreffen gestört und grundsätzlicher Einspruch gegen das Verdrängen und Vergessen eingelegt. So wichtig diese antifaschistischen Interventionen waren, blieb die Mehrheit der Salzburger Bevölkerung davon unbeeindruckt, wie dann auch in den 1990er-Jahren die Auseinandersetzungen um die „Wehrmachtsausstellung“ in der Stadt Salzburg zeigten.

Hatte sich in den 1990er-Jahren noch vom Landeshauptmann abwärts eine gemeinsame öffentliche Front gegen einen kritischen Umgang mit der Salzburger Zeitgeschichte gebildet, bröckelte diese mit dem sukzessiven Ableben älterer Wählerinnengruppen ab den 2000ern zusehends. Dennoch konnten „alte Kameraden“ noch bis vor wenigen Jahren öffentlich der verstorbenen SS-Mörder gedenken, während antifaschistische Gegenaktivitäten mit andauernder Repression konfrontiert waren. Auch heute ist nicht alles eitel Wonne: verstreut über das gesamte Bundesland finden sich nach wie vor problematische Denkmäler, „Ehrengräber“ für SS-Angehörige und nach Nazis benannte Straßen – mehr als genügend offene Baustellen für antifaschistische Interventionen.