MALMOE

Kein ruhiges Hinterland: Die FPÖ, Neonazis, Landmannschaften und Querfront-Tendenzen – zu vier Teilen Oberösterreich

Mit der Inbetriebnahme des tschechischen Kernkraftwerks Temelín kam es in Österreich, vor allem an der oberösterreichisch-tschechischen Grenze, zu Anti-Atomkraft Demonstrationen und Blockaden.
Die Proteste wurden von der FPÖ adaptiert, sie organisierte 2002 das Volksbegehren „Veto gegen Temelin“, das mehr als neunhunderttausend Menschen unterzeichneten. Der Protest wurde mit sudetendeutsch-revisionistischen und revanchistischen Inhalten aufgeladen und ein großer Teil der Anti-Atomkraft-Bewegung ging unter dieser Ägide mit. Bei der Landtagswahl 2015 verdoppelte sich das Wahlergebnis für die FPÖ auf 30,4% der Stimmen. Unter Manfred Haimbuchner, Landesparteiobmann, Landeshauptmann-Stellvertreter und korporierter Bundesbruder von Horst Wessel, richtete die oberösterreichische FPÖ eine Meldestelle „parteifreie Schule“ ein, an der SchülerInnen Lehrende anzeigen können, die die FPÖ kritisieren. Denn, so Haimbuchner: „Es kann nicht sein, dass Kinder von FPÖ-Funktionären mit Tränen in den Augen nach Hause kommen.“ Im Jahr 2016 wurde die rechtsextreme Großveranstaltung „Verteidiger Europas“ im Landestheater Linz, in Räumlichkeiten der Landesregierung, abgehalten. Hauptredner war Herbert Kickl. Haimbuchner droht „Journalisten und Islamisten“ mit Kickl. Aber allzu nahe Kontake zum Neonazismus müssen gegebenenfalls sanktioniert werden. Im Jahr 2013 nahm der Linzer Fraktionsobmann Sebastian Ortner seinen Hut, nachdem ein Video aufgetaucht war, das ihn bei Wehrsportübungen mit dem Neonazi Gottfried Küssel zeigte. Über Kontakte zwischen FPÖ-Funktionären und Mitgliedern des Neonazi-Treffpunkts Objekt 21 in Vöcklabruck, sagte der Landesparteisekretär Gert Bachmann hingegen: „Sie kannten sie vom Fortgehen und haben von strafrechtlichen Verwicklungen nichts geahnt.“ Anfang 2011 wurde der Verein Objekt 21 behördlich aufgelöst, existierte aber weiterhin, da die Staatsanwaltschaft zunächst keine Anklage erhob. Im Juni 2023 wurde bei 13 Razzien in Nieder- und Oberösterreich ein enormes Waffen- und NS-Devotionalien-Arsenal im Umfeld des ehemaligen Objekts 21 und rechtsextremer Motoradfahrer gefunden. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und die ermittelnden Polizeibehörden sahen aber keine rechtsextreme, sondern eine überwiegend kriminelle Gefährdung.
Seit 1992 feiert die FPÖ, auf Initiation des Oberösterreichers Jörg Haider, ihren politischen Aschermittwoch in Ried im Innkreis. Dieses Jahr sprach Herbert Kickl, der als Redenschreiber jahrelang Haider mit antisemitischen und rassistischen Kalauern für den Auftritt in der Jahnturnhalle zu Ried versorgte. Die zweitausend BesucherInnen beendeten die Veranstaltung damit, eine Videowand, auf der die Spätabendnachrichten ZIB 2 übertragen wurden, mit „Lügenpresse“-Rufen einzudecken.
Der politische Aschermittwoch ist eine mit Stolz gepflegte Tradition, die nur 2020 und 2021 Corona bedingt unterbrochen wurde. Eine Zeit, in der es Teile der oberösterreichischen Bevölkerung gegen den Obrigkeitsstaat auf die Straße trieb, und in der die FPÖ, umgeschwenkt auf einen Pandemiemaßnahmen-feindlichen Kurs, vor allem in Oberösterreich Konkurrenz von einer neuen Partei bekommen sollte. Menschen – Freiheit – Grundrechte (MFG) kam, um als Partei wieder zu verschwinden, aber nicht ohne verschwörungsmythologische und menschenverachtende Spuren zu hinterlassen. Wie bei den Protesten gegen Temelín, demonstrierten auf den 563 sogenannten Covid-Demonstrationen in Oberösterreich Menschen, die sich als politisch links und alternativ verstehen gemeinsam mit der FPÖ und immer militanter auftretenden RechtsextremistInnen.
Aber zum Schluss ein optimistischer Blick zurück: 1999 wurde der neonazistische Verein Dichterstein Offenhausen nach andauernder antifaschistischer Recherche und aktivistischer Interventionen wegen Wiederbetätigung behördlich aufgelöst. Das seit den 1960ern stattfindende völkische und antisemitische Treffen endete damit auf einen Schlag.