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Liquid Public Space – Der Donaukanal

Baden im Donaukanal ist Genuss und Politik

Wir schwimmen im Donaukanal. Wir tun das Naheliegende, wenn wir uns abkühlen wollen von der Hitze in der versiegelten Innenstadt. Wir lassen uns treiben im naheliegenden Kanal, der in seinem heute regulierten Flussbett eine strömende Ressource, eine fließende Permanenz in der Stadt ist. Warum ist es kein Selbstverständnis unter den Wiener:innen, diesen strömenden urbanen Riesenpool in die Abkühlungspraxis zu integrieren? Und was bedeutet es, einen touristischen Außenblick auf die Alltagsumgebung zu werfen?
Man trägt ein leichteres Gepäck, wenn man – einer Tourist:in gleich – ohne tradierte Donaukanal-Vorurteile reist. Leichter zugänglich wird dann ein offensichtliches Potential: die Aufenthaltsqualität nicht nur am, sondern auch im Donaukanal. Besonders wertvoll wird diese Ressource dann, wenn die Zeit nicht ausreicht, sich in der Mittagspause all the way bis zur Alten Donau zu bewegen oder man sich auf den Fahrten zur Abkühlung sonst in überfüllte U-Bahnen quetschen müsste. Die künstlerische Außenperspektive der Gründer:innen des Schwimmverein Donaukanal  – alle nicht in Wien aufgewachsen – war mit Sicherheit hilfreich, diese sich selbst erhaltende Vorurteilsmaschine zu pausieren. Denn natürlich: Wenn niemand im Donaukanal badet, liegt die Annahme nahe, dass es zu gefährlich, zu dreckig oder zu verboten ist. Diese Stelle wollen wir gerne nutzen, um den Top drei der Donaukanal-Vorurteile einige Zusatzinformationen an die Seite zu stellen:
Zu gefährlich: Die Strömung des Donaukanals stellt für ungeübte Schwimmer:innen eine Gefahr dar. Wer aber gut schwimmen kann, wird mit Ein- und Aussteigen keine Probleme haben. Dennoch: Auch für geübte Schwimmer:innen stellen die Schiffe eine Gefahr dar. Stromabwärts sind sie sehr schnell und haben keine Möglichkeit auszuweichen oder zu bremsen.
Zu dreckig: Grundsätzlich unterscheidet sich die Wasserqualität nicht von der des Donau-Hauptstroms. Es werden laut der Stadt Wien keine ungeklärten Abwässer in den Donaukanal eingeleitet. Nur nach starken Regenfällen in der Stadt kann es zu einer Überlastung der Mischwasserkanäle kommen, so dass ungeklärte Abwässer in den Donaukanal gelangen. Deshalb ist nach Gewittern das Schwimmen nicht empfohlen. Die grünliche Farbe und die Trübung des Wassers kommen vom Schlamm, der von der Donau mitgetragen wird. Das ist völlig normal für einen Fluss dieser Größe.
Zu verboten: Das Schwimmen ist grundsätzlich erlaubt, der Donaukanal ist aber eine Wasserstraße, keine offizielle Badestelle. Nur zu großen Objekten wie Schiffsanlegestellen oder Schleusenanlagen muss ein Abstand von einhundert Metern gewahrt werden.
Das Erforschen und Genießen der eigenen Umgebung und das Erkennen ihrer genutzten wie ungenutzen Potentiale ist sehr wertvoll. Selbstverständlich möchten wir nicht schönreden, wenn Menschen als Konsequenz von Armut keine Zeit, kein Geld oder keine Wahl haben zwischen zu Hause bleiben und Urlaub in der Ferne. Gleichzeitig kann Urlaub in der eigenen Stadt eine bewusste Entscheidung sein. Vorhandene Ressourcen in der eigenen Stadt können dadurch als Erholungsraum bewertet werden; man gewinnt inneren Abstand nicht nur durch äußeren Abstand. Und ganz sicher: Die Perspektive auf die Stadt, während man sich im Donaukanal – auf einem Schwimmsack hängend – treiben lässt, ist auch nach dem zwölften und dreiundzwanzigsten Schwumm immer wieder erfrischend. Der KanalWAL der TU Wien hat die Idee der „Staycation“ als politisches und ökologisches Konzept als Installation am Donaukanal materialisiert: „Der Kanal gilt uns als wertvolle Raumreserve, hier wollen wir das innerstädtische Potential für einen alltäglichen Urlaub zu Hause exemplarisch zeigen.“ Den Abstand und die Neubewertung der Umgebung kann man nicht nur durch die touristische Außenperspektive erlangen. Auch ein historischer Blick eröffnet eine neue Wahrnehmung des Gewohnten durch bereits dagewesene Möglichkeiten. Im Donaukanal gab es immer wieder eine Normalität des Badens: zum Beispiel in den sogenannten Strombädern. Man kann sich darunter eine Art Schiff mit einer Gitterkonstruktion vorstellen, in der man direkt im Donaukanalwasser badete, ohne dabei fortzuströmen. Das erste Strombad wurde 1827 nahe der Rotundenbrücke errichtet und viele waren bis in die 1940er Jahre in Benutzung. Geschichte zeigt, dass Normen veränderbar sind, dass der Status Quo kein Fixum ist.
Das Schwimmen im Donaukanal ist ein Gegenpol zur heute stattfindenden Kommerzialisierung am und im Donaukanal. Tourismus schwemmt natürlich Gelder in die lokalen Kassen. Der aktuelle Schiffsverkehr am Donaukanal ist ein Angebot fast ausschließlich für die Tourist:innen in der Stadt Wien – und eine Gefahr für Schwimmer:innen. (Allerdings möchte ich zugeben, dass ich äußerst gerne mal eine Schnitzelboottour unternehmen würde…) Während der im Zuge der Covid-Pandemie veranlassten Reisebeschränkungen lag der Schiffsverkehr am Donaukanal quasi lahm. Beim Schwimmen erfüllen wir mit unseren Körpern diesen flüssigen, öffentlichen Raum und stellen im Tun die Frage nach der Nutzungsvorfahrt auf dieser Wasserstraße. Es liegt auf der Hand, dass einer exklusiven und zahlenden Gruppe von Bootsausflügler:innen eine große Zahl an Schwimmer:innen und Wassergenießer:innen gegenübersteht, die diesen Ort jederzeit, ohne großen Aufwand und kostenfrei nutzen könn(t)en. Dass dies eine Bereicherung für das Stadtbild wäre, und Besucher:innen gemeinsam mit Einwohner:innen durch Wien treiben können, ist dabei nur ein Vorteil.
Unsere Vision für den Donaukanal: Möge er ein mindestens genauso freudig genutzter urbaner Riesenpool werden, wie die Neue oder die Alte Donau. Mögen triefend nasse Menschen an den Ufern des Donaukanals spazieren, nachdem sie sich strömend im Wasser abgekühlt haben. Mögen sich das Interesse am und die Praxis des Donaukanalschwimmens verdichten, verselbstständigen und selbstverständlich werden. Möge es ein Ort werden, an dem sich alle Tourist:innen, Alltagsgenießer:innen und Einwohner:innen miteinander wohlfühlen, befreit vom Gewicht des Alltags, und befreit von Konsum.
Apropos Konsum: Wir empfehlen natürlich den Kauf von unserem Schwimmverein-Donaukanal-Merch – wasserfeste Schwimmsäcke, Caps, bedruckte Handtücher und vieles anderes – für eine stylische Öffentlichkeitsarbeit.
Der Schwimmverein Donaukanal hat es sich zum Ziel gesetzt, den Donaukanal als Schwimmstelle in der Innenstadt Wiens neu zu beleben. Wir wollen rund um diesen innerstädtischen Arm der Donau eine neue Kultur des Flussschwimmens etablieren, bei der eigenverantwortlich und rücksichtsvoll mit den Risiken eines fließenden Gewässers umgegangen wird. Die Freude am Schwimmen im Donaukanal verbindet uns. Es erfrischt, ist aufregend und entspannend zugleich. Dabei lässt es uns die Stadt aus spannenden neuen Blickwinkeln sehen und erleben. Wir wollen informieren und aufklären und sind bestrebt, mit allen Nutzer:innen des Donaukanals zu kollaborieren, um das Schwimmen sicher und auch in Zukunft möglich zu machen.