MALMOE

Intro Kolumne: Traumtagebuch

Träume überkommen uns im Schlaf. Machtlos sind wir ihnen ausgeliefert. Sie geben Hinweis darüber, was uns aktuell beschäftigt. Ohne dass wir das vielleicht selbst schon so genau wissen bzw. überhaupt wissen wollen. Viel wurde geschrieben über das, was sie bedeuten mögen, welche Funktion Träume hätten, wie sie zu verstehen seien.
Die Traumberichte, die hier aufgeführt werden, sprechen größtenteils für sich selbst. Hier werden nicht zufällig irgendwelche Träume zu finden sein. Ganz im Gegenteil: Alle hier versammelten Erzählungen legen Zeugnis von gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen ab. Sie dokumentieren das Wirken von strukturellen Herrschaftsverhältnissen und den subjektiven Umgang der Träumenden mit den Gewalterfahrungen.
Trotzdem Träume grundsätzlich fiktiv sind, weisen die hier aufgegriffenen Träume einen erschreckenden Realitätsbezug auf. Diese Dynamik wirft ein besonders grelles Licht auf jene Wirklichkeit, der sie entspringen. Dabei ist die Gewalt, die sie bezeugen, der eine Aspekt, ein weiterer, dass sie Gewalt auf die Träumenden selbst ausüben. Auch wenn sie fiktiv sind, strukturieren sie wirkmächtig den Alltag der träumenden Person. Somit materialisiert sich in der Fiktion die gesellschaftliche Gewalt und wirkt in den privatesten aller möglichen Räume – dem eigenen Schlaf – gewaltvoll fort.
Zwar als Zeitdokumente und wissenschaftliche Quellen umstritten, weisen doch gerade Träume auf gesellschaftliche Missstände hin und sollten allein schon deshalb mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Eigenheit von Träumen ist es, nicht Abbild der Wirklichkeit zu sein. Jedoch sagen sie losgelöst von der bürgerlichen Vernunft surreal etwas aus, was von Bedeutung ist. Nicht notwendiger-, aber möglicherweise blicken sie unverzerrter und „realer“ in die Vergangenheit, in die Gegenwart und manchmal sogar in die Zukunft.
Trotzdem wir vereinzelt träumen, sind wir mit unseren Emotionen und Ängsten, die die Träume ins Leben rufen, nicht allein. Das öffentliche Sprechen über subjektiv erfahrene Träume ist eine Grundlage, um die Isolation zu durchbrechen. Sie wird damit vielleicht zur Bedingung, um gegen jene gewaltvollen Strukturen aufzubegehren, die in erster Linie die Träume motiviert haben.