MALMOE

„Eine Menge Möglichkeiten, Faschisten zu bekämpfen“

Gord Hill im Gespräch mit MALMOE über sein Comic Antifa – Hundert Jahre Widerstand und die Bedeutung eines geschichtlichen Wissens für gegenwärtige Kämpfe

MALMOE: Dein Buch deckt über 100 Jahre Geschichte antifaschistischer Bewegungen ab. Das ist eine enorme Dimension für 100 Seiten Comic und eine ganze Menge Arbeit. Wie bist du an die Informationen gekommen? Und wer hat dich dabei unterstützt?

Gord Hill: Die Recherche hat eine Menge Zeit gekostet. Ich musste mich auf viele Online-Quellen stützen, da ich in einer etwas abgelegenen Gegend wohne, ohne Zugang zu großen Bibliotheken oder Ähnlichem. Ich selbst habe eine schlichte Sammlung von Büchern zum Faschismus, etwa The Rise and Fall of Nazi Germany von W. Shirer, The Coming of the Third Reich von Richard J. Evans, aber auch aktuellere Bücher wie das Antifa Handbook von Mark Bray, der ja auch die Einleitung zum Comic geschrieben hat. Aber der Großteil meiner Recherche stützt sich auf das Internet. Das Archiv des Antifa Infoblatt war extrem nützlich für das Kapitel über Nachkriegsdeutschland. Und es gab noch viele andere Antifa-Websites, auf die ich zugegriffen habe, zum Beispiel die Zeitschrift Fighting Talk, die von der Antifaschistischen Aktion in England während der 1990er Jahre herausgegeben wurde. Außerdem war ich selbst seit den späten 1980er Jahren immer wieder in antifaschistischen Gruppen aktiv.

Der Comic beginnt mit dem Aufstieg des Faschismus in Italien, auf dem die vielen folgenden Bewegungen aufgebaut haben. Besonders wichtig für einen Comic ist natürlich auch die Bildrecherche, also: Welche Uniformen haben die unterschiedlichen Gruppen getragen? Welche Mode gab es generell zu welcher Zeit? Und so weiter. Besonders meine Familie hat mich viel unterstützt, meine Partnerin hat sich während der Arbeit am Comic um unsere Tochter gekümmert und der Verlag hat mir Geld vorgeschossen, damit ich mich auf den Comic konzentrieren kann und nicht so viele andere Projekte machen muss. 

Neue Leute in antifaschistische Kontexte einzubinden, aber auch die teilweise jahrelange Beobachtung faschistischer Strukturen und das Sammeln von Informationen bilden die Basis Antifaschistischer Aktionen, und nicht zuletzt die physische Bekämpfung der Faschisten. Worauf liegt dein Fokus?

Ich habe versucht, die Taktiken zu darzulegen, die in verschiedenen historischen Situationen angewendet wurden, um genau das zu zeigen, was du beschreibst: Es gibt eine Menge Möglichkeiten, Faschisten zu bekämpfen. Das schließt antirassistische Konzerte wie Rock against Racism und Zeitschriften oder auch mein Comic selbstverständlich mit ein. Aber mein Ziel war es, die Notwendigkeit und die Wirksamkeit militanter Aktionen herauszustellen. Nicht als einzigen Weg, aber als notwendigen Teil der gezielten Bekämpfung faschistischer Bewegungen. Wenn wir nur Zeitschriften drucken oder Konzerte spielen, hält das die Faschisten letztendlich nicht davon ab, Menschen anzugreifen und Hass zu verbreiten. Es braucht die ideologische und die physische Ebene im Kampf gegen den Faschismus. Gerade in Nordamerika aber ist die Protestbewegung stark pazifistisch geprägt. Pazifismus wird dabei idealisiert und als die einzig wahre Form dargestellt, Protest und Widerstand auszudrücken. Deshalb war es für mich sehr wichtig, die Notwendigkeit von Militanz zu betonen.

Der Blick auf die Geschichte kann uns Kraft geben für zukünftige Kämpfe, weil wir all die Menschen sehen, die gegen Faschismus gekämpft haben. Gleichzeitig kann der Blick Angst machen, die Vergegenwärtigung von Tod, Folter und Gefangenschaft dich daran hindern, etwas zu tun. Wie siehst du das?

Ich glaube, das Wichtigste, das wir aus der Geschichte lernen können, sind Taktiken und Strategien, die Antifaschist*innen vor uns genutzt haben. Was funktioniert in einer bestimmten Situation? Und was funktioniert nicht? Wie haben sich Faschisten organisiert und wie haben sie auf antifaschistischen Widerstand reagiert? Ich denke, es ist gerade für Menschen, die antifaschistische Arbeit machen, sehr wichtig, dieses Wissen über die eigene Geschichte zu haben.

Gord Hill (2020): Antifa – Hundert Jahre
Widerstand. Mit einem Vorwort von Mark Bray. Aus dem Englischen von Alexander Lippmann. Bahoe Books, Wien.