MALMOE

Hier lebt der Diskurs

Das Depot wird 25 Jahre alt. Ein Rückblick auf eine bewegte und ereignisreiche Geschichte

1994 wurde das Depot in Wien von der damaligen Bundeskuratorin für bildende Kunst und heutigen Leiterin des Belvedere Stella Rollig als Ort für Diskurs über Kunsttheorie gegründet. Seit 25 Jahren widmet sich das Depot im besonderen Maße gesellschaftlich relevanten Problemfeldern. Im Zentrum steht dabei Partizipation und Austausch. Das Depot ist ein konsumfreier Raum, alle Veranstaltungen die vom Depot aus stattfinden sind ohne Anmeldung und Eintritt zugänglich.
Am 9. Oktober, 19:00 Uhr, wird eine Rückschau auf das erste Panel von 1994 vollzogen. An diesem Abend wird die damals artikulierte Frage „Ist es noch notwendig, über Kunst zu sprechen?“ aus heutigen Gesichtspunkten aufgegriffen. Diese Frage begleitet das Depot seit seiner Gründung und wird heuer mit einigen der Panelgäst_innen von 1994 erneut aufgeworfen. Am Panel sitzen die damalige Gründerin Stella Rollig, Patricia Grzonka vom Kunstbulletin, sowie Marius Babias vom NBK aus Berlin, die Künstlerin Matta Wagnest aus Graz und Wolfgang Zinggl, Abgeordneter zum Nationalrat aus Wien. Die offizielle Geburtstagsfeier findet am 8. November ab 19:00 Uhr statt.

MALMOE: 25 Jahre alt wird das Depot. Was war damals die Motivation für die Gründung?

Depot: Anfang der 1990er gab es in Wien keinen Diskursort, um zeitgenössische Kunsttheorie öffentlich und für alle frei zugänglich zu diskutieren. Erst mit dem Depot konnten Interessierte mit internationalen Theoretiker_innen und Künstler_innen ins Gespräch kommen. Zur ersten schwarz-blauen Regierung 2000 wurden aber auch andere Diskussionen erforderlich. Kultureinrichtungen sind da politisch aktiv geworden. Es hat sich in Österreich erstmals eine ernstzunehmende Zivilgesellschaft etabliert. Das Depot hat vielen neuen Initiativen Platz geboten: Attac Österreich, der Verband feministischer Wissenschafter_innen oder die IG Architektur wurden im Depot gegründet, neue Zeitschriften wurden hier erstmals vorgestellt – wie übrigens die erste Ausgabe von MALMOE im Jahr 2001.

Ihr wart ja nicht immer hier in der Breite Gasse 3, wo hat es mit dem Depot angefangen?

Angefangen hat alles in einem kleinen Raum am Areal des heutigen Museumsquartiers. Das war ein ehemaliges Depot der Wiener Messen, die bis in die 60er Jahre dort stattgefunden haben – daher unser Name. Nach zwei Jahren ist das Depot in einen größeren Raum am Areal gezogen. Da kamen das Café und die Bibliothek dazu. Nachdem das Museumsquartier errichtet wurde, musste sich das Depot einen neuen Raum suchen.

Da wurde das heutige Depot geschaffen.

Ja, genau, und die Bibliothek war sehr wichtig, internationale Kunstzeitschriften waren damals sonst nirgendwo frei zugänglich. Auch Arbeitsplätze mit Internetzugang wurden zur Verfügung gestellt – zu dieser Zeit hatte noch kaum wer Internetanschluss zu Hause. Damals gab es übrigens für das Depot noch wesentlich mehr Förderung. Heute haben wir für Neuankäufe für die Bibliothek zum Beispiel kein Budget mehr.

Wie hat sich die erste schwarz-blaue Regierung in euren Räumen bemerkbar gemacht?

Die Jahresförderung für uns wurde von der ersten schwarz-blauen Regierung gestrichen, wie auch vielen anderen Initiativen. Das jedoch hat die Zivilgesellschaft noch mehr bestärkt, in politische Diskussionen zu gehen. Die Stadt Wien ist dann für das Depot als Förderin eingesprungen, konnte aber nicht alles in dem Maß fördern, wie es der Bund getan hatte. Später gab es dann aber wieder die Jahresförderung vom Bund.

In Zeiten von Fake News einen physischen Ort zu haben, wo man ins Gespräch kommen und Debatten führen kann, hat eine Qualität, die vielleicht langsam wiederentdeckt wird. Wie nehmt ihr das wahr?

Diskussionen vor Ort waren immer produktiv und wichtig. Sie bekommen jetzt, wo so vieles mit einem Klick nach dem anderen abgehandelt wird und viel weniger Austausch passiert, eine neue Dimension. Das ausführliche Debattieren, das ist hier möglich. Eine Diskussion von Angesicht zu Angesicht funktioniert völlig anders als ein Kommentar, der schnell getippt und gepostet wird, ohne das Gegenüber zu sehen.

Welche Herausforderungen seht ihr vor dem Hintergrund, dass Debatten von extrem rechten Diskursen vergiftet werden?

Wir haben uns dazu entschlossen, rechtsextremen Positionen kein Podium zu bieten. Rechtspopulist_innen bedienen so viele Plattformen, Zeitungen und öffentliche Medien räumen ihnen so viel Platz ein. Da braucht es Räume, in denen eine Zivilgesellschaft geschützt diskutieren kann, in denen Demokratie, Menschenrechte und ein antifaschistischer Grundkonsens nicht infrage gestellt werden. Da bleibt trotzdem noch genug zu streiten.

Was wünscht sich das Depot für die Zukunft?

Auf jeden Fall wäre es schön, neue Zielgruppen ansprechen zu können. In der Kunst wird immer so getan, als ob die Zielgruppe auf Akademiker_innen begrenzt ist. Es gibt aber auch ein komplett anderes Kunstverständnis und es wäre mal hoch spannend das zu diskutieren. Aber wie kommen wir zu weiteren Zielgruppen?
Wenn wir einen Kritikpunkt anbringen wollen: Wir liegen schon in the middle of the Bobo-Gebiet, und manchmal stellt sich die Frage: Sind wir überhaupt am richtigen Ort hier? Müssten wir nicht zum Beispiel in den 10. Bezirk? Es wäre schon wichtig, dass sich Räume mehr überschneiden und es auch Zeit gibt eine diversere Gesellschaft heranzuholen. Flyer auszuteilen reicht nicht, die Leute müssen überzeugt werden, sich mehr in die Diskussionen einzumischen.