MALMOE

Quälend ­ländlich

Viel Trauriges, aber auch viel Ermu­ti­gendes im neuen Roman von Claudia Breitsprecher

Wie der Hase läuft in Eschenreuth, dem nahe der tschechischen Grenze gelegenen deutschen Kaff, bestimmt der Altherrenstammtisch, der allabendlich im Goldenen Hirschen zusammensitzt. Kein Wunder also, dass auch die Großmäuler der Fußballjugend nicht allzu viel mit Schwulen und Lesben am Hut haben. Jacob muss diesen Hass am eigenen Leib erfahren, schwer verletzt und verängstigt versteckt er sich nach einem brutalen Überfall auf dem Heuboden des Götzl-Bauern gegenüber seines Elternhauses.

Zu Hause wartet seine Mutter Karin immer verzweifelter auf seine Rückkehr und wendet sich schließlich an ihre einzigen Freund_innen. An Holger, der schon in der Schule ein Außenseiter war, und Annette, die auf die schiefen Blicke im Dorf gut verzichten konnte und schon längst ins queere Mekka Berlin gezogen war. Annette fährt sofort los – ihrer einstigen großen Liebe Karin konnte sie noch nie etwas abschlagen –, aber mit der Rückkehr ins Dorf kehren auch die Erinnerungen an ihre eigene Kindheit und Jugend wieder. Genauso geht es auch Holger, der wenig erfreut ist, dass er auf der Suche nach Jacob mit den Dorfbewohner_innen in Kontakt treten muss, die ihn schon als Kind gequält hatten. Karin versucht mithilfe ihrer Tabletten zu ertragen, dass sie immer noch unter dem Schatten ihrer Eltern lebt und die Tyrannei des Vaters erträgt, der Homosexuelle und „Slawen“ – wie ihren Mann Pavel – lieber tot sehen würde, als in seiner Nähe oder gar in seiner eigenen Familie.

Claudia Breitsprecher hat einen Roman über verknöcherte Dorfstrukturen, Coming Out und Freund_innenschaft geschrieben, und darüber, dass die große Katastrophe, vor der einer immer Angst hatte, vielleicht gar nicht zwingend eintritt. Und sie zeigt, dass es manchmal nicht einmal notwendig ist, den alten Nazi-Vater mit den eigenen Waffen zu schlagen, weil er viel weniger Macht hat als geglaubt. Ein trauriges, aber auch sehr mutmachendes Buch.

Claudia Breitsprecher: „Hinter dem Schein die Wahrheit“, Krug & Schadenberg, Berlin 2017
Selbstverständlich erhältlich in der Buchhandlung ChickLit, Kleeblattgasse 7, 1010 Wien