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MALMOE

BRD auf THC

In Deutschland forciert die neue Ampelkoalition bestehend aus SPD, Grünen und FDP die Legalisierung von Cannabis. Wie die Freigabe gestaltet wird und wie weit die Legalisierung geht, bleibt abzuwarten.

Es hat in der Menschheitsgeschichte keine Gesellschaft gegeben, in der nicht immer wieder ein Zustand des Rausches und der Bewusstseinsveränderung gesucht wurde. Der Gebrauch von Cocablättern ist in den Anden seit etwa 5000 Jahren belegt, im antiken Griechenland wurde Opium geraucht, das in China bereits um 700 v. Chr. angebaut wurde, und an einer zerbrochenen Tonpfeife in William Shakespeares Haus fand man Rückstände von Cannabis. Im 19. Jahrhundert schuf die bürgerliche Moral eine rigide Enthaltsamkeit, während zeitgleich das wirtschaftliche Potential von Drogen entdeckt wurde. Diese widersprüchlichen Entwicklungen kanalisierten sich im 20. Jahrhundert, das zur Epoche der Drogenverbote und der Drogenkriminalität, mit enormen Gewinnspannen, werden sollte.

Die Kolonialmacht Großbritannien überflutete das Kaiserreich China mit Opium aus Bengalen. Dies führte zwischen 1839 und 1860 zu den Opiumkriegen, die China beide verlor. Gegen die Vormachtstellung Großbritanniens traten die USA 1909 auf den Plan, die mittels einer internationalen Opiumkommission das globale Verbot von Opium einläuten wollten. Die Ratifizierung wurde allerdings von der britischen Regierung blockiert, die im Umkehrschluss eine Ausweitung des Verbots auf Morphin, Heroin und Kokain forderte. Was wiederum das Deutsche Reich, als größter Produzent und Exporteur dieser Produkte, zu verhindern suchte. Das Inkrafttreten des Verbots wurde wiederholt verschoben, letztlich entschied der Ausgang des Ersten Weltkriegs über das Opiumabkommen. Mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrages verpflichtete sich Deutschland, ein eigenes Opiumgesetz zu erlassen, Opium und seine Derivate sowie Kokain waren von nun an verschreibungspflichtig. Eine Gesetzesverschärfung erfasste 1929 auch Cannabis, hinzu kam die Möglichkeit, das Verbot auf ständig neue Stoffe auszuweiten.

Panzerschokolade

Der Nationalsozialismus verfolgte Drogenkonsument:innen als „Schädlinge an der Volksgesundheit“. Er reihte Drogenkonsum in die lange antisemitische Litanei über die vermeintlichen Zeichen „jüdischer Dekadenz und Zersetzung“ ein. Gleichzeitig agierte der Nationalsozialismus als staatlicher Dealer, der Arbeiter:innen, in besonderem Maße aber Soldaten, auf das hochwirksame Methylamphetamin Pervitin – Chrystal Meth – brachte.

Die synthetische Produktion von psychotropen Substanzen hatte im Deutschen Reich eine lange Geschichte, 1898 ließen sich die Bayer Werke Diamorphin, eine Substanz, die aus dem Opium-Alkaloid Morphin gewonnen wird, patentrechtlich unter dem Markennamen „Heroin“ schützen. Heroin wurde – auf zwölf Sprachen – als Schmerz- und Hustenmittel beworben. Unter anderem wurde es zum probaten Substitutionsmittel bei Morphin- oder Opium-Abhängigkeit, da das Abhängigkeitspotential als niedrig eingestuft wurde.

Im Westdeutschland der Nachkriegszeit gestaltete sich der Drogenkonsum als Nischenphänomen von Menschen mit kurzen Beschaffungswegen, vornehmlich medizinisches Personal und Apotheker:innen. Das änderte sich mit der Zäsur der 1968er Jahre auch in Westdeutschland. Substanzen wie Cannabis und LSD wurden nicht nur konsumiert, die Medien berichteten auch darüber. Mit den US-amerikanischen Streitkräften, die teilweise aus Vietnam abgezogen, auf die deutschen Militärstützpunkte versetzt wurden, kam das Heroin zurück in die BRD.

War on Drugs

Das Ende der Alkoholprohibition in den USA ließ das Federal Bureau of Narcotics (FBN), als nationale Strafverfolgungsbehörde, nach 13 Jahren ohne Aufgabe zurück. Die gescheiterte Prohibition zeigte, dass es zwar zu einem Rückgang beim Alkoholkonsum gekommen war und auch alkoholbedingte Folgeschäden wie Leberzirrhosen sanken. Dafür stiegen die Konsument:innen aber von Bier auf Schnaps um. Wer Alkohol trinken wollte, bekam diesen, nur nahmen die Risiken, durch gepanschten Fusel und durch die Kriminalisierung, enorm zu. Die Korruption blühte, die Kriminalität auch. Kriminelle Strukturen, die sich im Alkoholschmuggel gebildet hatten, handelten nach dem Ende der Prohibition andere Waren, die staatlichen Behörden sattelten ebenfalls um.
Dem FBN, als Vorgängerorganisation der heutigen, aus Netflix-Serien bekannten, Drug Enforcement Administration (DEA), stand seit 1930 Harry J. Anslinger vor. Anslinger legte ab den 1930ern den Schwerpunkt auf die Kriminalisierung von Cannabis, das zu diesem Zeitpunkt in den USA noch legal war. Als fanatischer Rassist war er besessen von der Gefahr, die von schwarzen Männern unter Drogeneinfluss ausgehen würde. Er verfolgte in einer persönlichen Obsession die heroinabhängige Jazz-Sängerin Billie Holiday, die in dem Song Strange Fruit die Lynchmorde an schwarzen Männern in den Südstaaten anprangerte. Der „War on Drugs“ war von Anfang an gekennzeichnet durch Rassismus, der die Konsument:innen und die Substanzen in ein dichotomes Gut-Böse-Schema einsortiert. Die Ignoranz, mit der in den USA der Crack-Krise der 1980er Jahre begegnet wurde, und die Aufmerksamkeit, welche die Verbreitung von Opioiden seit einigen Jahren erfährt, zeigt, dass Empathie und die Bereitschaft zur Hilfe steigt, wenn die Konsument:innen überwiegend Weiße sind. Anslingers Karriere führte über das FBN, dem er noch bis 1962 vorstand, in die Drogenkommission der UNO. Von hier aus trug er den Kampf gegen Drogen in die Welt.

Das Ziel, eine Welt ohne Drogen, wurde von Richard Nixon ausgerufen und unter Ronald Reagan zum pädagogischen „Just say No“-Mantra verfeinert. Der Nixon-Berater John Ehrlichman sagte 1994 in einem Interview: „Die Nixon-Kampagne 1968 und die folgende Regierung hatten zwei Feinde: Die linken Kriegsgegner und die Schwarzen. (…) Wir wussten, dass wir es nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder schwarz zu sein, aber dadurch, dass wir die Öffentlichkeit dazu brachten, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin zu assoziieren und beides heftig bestraften, konnten wir diese Gruppen diskreditieren.“ In den 1980er und 90er Jahren wurde der „War on Drugs“ vom innen- zum außenpolitischen Thema erweitert. Auf Grundlage eines 1986 verabschiedeten Gesetzes verfassten die USA eine Länderliste mit den größten Drogenproduktionen. Die vorwiegend südamerikanischen Staaten wurden nach ihrer Kooperation bewertet, und je nachdem militärisch, wirtschaftlich und humanitär unterstützt oder mit Importverboten abgestraft. Gleichzeitig beteiligten sich jedoch wiederholt US-Behörden selbst an Drogengeschäften wie in der Iran-Contra-Affäre. Im Jahr 2005 wurde ein Geheimpapier der britischen Regierung geleakt, das den „War on Drugs“ für gescheitert erklärte.

Und der Frieden, der folgt?

Staaten wie Uruguay, Kanada, Portugal und Tschechien, aber mittlerweile auch 18 Bundesstaaten der USA haben ihre Drogengesetze liberalisiert und teilweise den Verkauf von Cannabis-Produkten freigegeben. In Tschechien ist seit 2010 der Konsum und Besitz auch von so genannten harten Drogen zum Eigenbedarf legal. Portugal entkriminalisierte jeglichen geringen Drogenbesitz zum Beginn des 21. Jahrhunderts. In Neuseeland wurde hingegen 2014 ein Pilotprojekt zur staatlichen Untersuchung und Freigabe so genannter legal highs gestoppt. Im Oktober 2020 wurde die Cannabis-Legalisierung in einem Referendum abgelehnt. In den Niederlanden, wo Cannabis seit 1976 in Coffee Shops gehandelt und konsumiert wird, zeigen sich Probleme, wenn eine unregulierte Grauzone mit der Finanzkraft, dem Expansionswillen und der Brutalität der Drogenkriminalität kollidiert. Holländischen Coffee-Shop-Betreiber:innen ist es bisher nicht erlaubt, Cannabis anzubauen oder legal zu kaufen. Das so genannte Hintertür-Paradox soll mit dem 2017 beschlossenen regulierten Anbau zukünftig behoben werden. Am Beispiel der Niederlande zeigt sich gut, dass es mit einer Tolerierung oder reinen Freigabe des Verkaufs den Problemen um Drogenkonsum nicht beigekommen werden kann. Die Kriminalisierung der letzten hundert Jahre hat Strukturen und Verwertungslogiken von einer enormen Brutalität hervorgebracht, im Drogenkrieg in Mexiko sind seit 2006 schätzungsweise 300.000 Menschen getötet worden. Gleichzeitig explodieren die Gewinnmargen im Kokainhandel, im Februar 2021 fand der Zoll 16 Tonnen Kokain mit einem Marktwert von einer Milliarde Euro am Hamburger Hafen. Geldwäsche und Korruption sind gesellschaftliche Probleme, die inzwischen auch den Immobilienmarkt betreffen. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes 20. Berliner Gebäude mit Kapital aus der Geldwäsche gezahlt wurde, unter anderem das Gebäude, in dem sich das Finanzamt Berlin-Mitte befindet.

Die Produktion, der Anbau, Vertrieb und Handel sowie Qualitäts- und Preiskontrollen müssten für eine konsequente, funktionierende und konsument:innenfreundliche Drogenpolitik verstaatlicht werden. Damit hat man immer noch nicht das Unglück der Menschen eingefangen, die Substanzen nicht als nur einen Bestandteil in einem mannigfaltigen Leben integrieren können, oder anders, denen der moderate Konsum nicht gelingt. Die derzeitige Opioidkrise in den USA, um das Schmerzmittel Oxycontin, zeigt, dass die Abgrenzung zwischen legal und illegal, zwischen Medikament und Droge fließend und durch Gesetze bestimmt ist. Es sticht aber vor allem ins Auge, dass sich die durch den Opioidkonsum verheerten Gebiete entlang der ehemaligen Industriegebiete ziehen, in denen die Menschen ihre Jobs, Wohnungen und Lebensgrundlagen schon vor der Drogenabhängigkeit verloren hatten.