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MALMOE

Meine Frise, ich und 
die Widersprüche des Patriarchats

Wer schön sein will, muss leiden. Ein bei schmerzhaften Schönheitspraktiken gerne bedienter Spruch, der Unterschiedliches auslöst: Von der wütenden Einsicht eines „Ja eh, weiß ich!“, dass Gefallen-Wollen nun mal weh tut, bis hin zur Erkenntnis, dass Epilieren, Zupfen, Blondieren und Waxing unverzüglich zu unterlassen, um mir ein bisschen Würde und Distanz vom Gefallen-Wollen zu bewahren.

Leider gestaltet sich der Sachverhalt ums Optisch-(Nicht)-Entsprechen-Wollen verzwickt: Gefallen und Nicht-Gefallen stehen in einem Verhältnis, die ihren Bezugspunkt das Ideal der Schönheit – wie auch immer es gegenwärtig kulturell und milieuspezifisch ausstaffiert ist – nicht verlieren. Auf Bein-, Gesichts- und Haupthaarfrisuren bezogen bedeutet dies Folgendes: Egal ob ich den Flaum zwischen Mund und Nase stehen lasse oder nicht, egal ob meine Kopfhaare langweilig brünett, strahlend wasserstoffblond oder kurz geschoren sind, meine Entscheidung erfährt Resonanz. Als weiblich gelesene Person mit sehr kurzen Haaren auf dem Kopf und sehr langen auf den Beinen weiß ich um dieses Unglück gut Bescheid. Menschen allen Alters, aller Genders, egal ob sie ein Nähe- oder Distanzverhältnis zu mir pflegen, fühlen sich durch meine Frisen aufgefordert diese zu kommentieren. Mir unbekannte Frauen, die ich flüchtig bei Fortbildungen oder Festivals kennen lerne, sprechen mir großen Mut zu, den die Entscheidung für eine Kurzhaarfrisur ihres Erachtens wohl voraussetzt. Meine Großmutter versucht die Missgunst meines Großvaters beim Anblick meiner Kopfhaare mit dem Verweis, dass ich doch Künstlerin sei und mir dieses Privileg dadurch zustehe, zu besänftigen. Während meine Mutter beim Anblick meiner Beinbehaarung meine Socken so weit hoch als möglich zieht, wenden manche Menschen in der U-Bahn mit Entsetzen den Blick von meinen Beinen ab. Die Vielzahl unangenehmer Anekdoten, die durch Erfahrungen mit meinen Gspusis entstanden sind, spare ich an dieser Stelle aus.

Egal ob ich mich schmerzhaften Schönheitspraktiken, oder schmerzhafter Kränkung durch Nicht-Gefallen aussetze, das Verhältnis zum eigenen Körper und Aussehen bleibt zwanghaft. Patriarchale Objektivierung, der ich dabei ausgesetzt bin, funktioniert dabei ebenso gut durch Frauen*. Männliche Blicke, die Frauen* auf (optische) Likes und Dislikes reduzieren, offenbaren sich dabei als gesellschaftliches Verhältnis. Auch wenn meine Oma und Mama selbst von patriarchaler Zurichtung betroffen sind, reproduzieren sie diese an meinem und ihren Körper(n). Meine zugewiesene gesellschaftliche Funktion als (potenzielle) Ehefrau/Partnerin/Mutter stellt mich dabei in Bezug zu heterosexuellen Männern. Für diese gilt es verfügbar zu sein und ihnen zu gefallen.

Angesicht dessen, gilt: Wer schön sein will muss leiden, wer nicht schön sein will auch, versuche ich Strategien jenseits dessen zu entwickelt. Nachhaltig kann dabei nur die Zerschlagung des Patriarchats sein. Während ich meinen Fokus darauf bemühe, verschaffen mir zeitweise andere Strategien Abhilfe. Aktuell: Tieridentitäten. Als Erdmännchen, Biber oder Affe interessiert mich das Patriarchat nicht. Während mein Menschen-Ich selbst einen männlichen Blick im Spiegel auf mich wirft, weiß das Erdmännchen gar nicht worum es geht.