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MALMOE

Ein orangenes Bündel 
Aufmerksamkeit

Ich wollte schon immer eigentlich Lifestylebloggerin, Adelsexpertin oder zumindest Businesscoach werden, habe mich aber durch eine Reihe fragwürdiger Lebensentscheidungen für immer für jeden dieser Posten disqualifiziert. Wenn ich dann zumindest mal angefragt werde, über Haare zu schreiben, ist die Aufregung natürlich groß. Dann aber die Ernüchterung: Nicht irgendwessen Haare, auch mein shaggy Mullet wird wieder ungesehen bleiben, sondern Trumps Haare. Eigentlich hatte ich mir mal vorgenommen, nicht über den jetzt-nicht-mehr US-Präsident zu schreiben & habe diesen Vorsatz zwecks Mangel an Anfragen auch ganz gut umsetzen können.

Beim Recherchieren habe ich dann aber schnell gemerkt, dass es hier vielleicht auch um mehr geht: Trumps Haar beschäftigt die Menschen. Da sind sich die Vanity Fair, die Bild der Frau, ein Blog namens Ape to Gentleman und die unendlichen Weiten hinter 300 Millionen anderen Googlesuchergebnissen einig. Auch wenn letztere vermutlich zu einer guten Hälfte nur daraus bestehen, welcher Hai/Vogel/Hot-Dog an das trumpsche Geweih erinnert. Auch in den nationalen Versionen der Zeichensprache für Hörgeschädigte im Vereinigten Königreich & den Vereinigten Staaten wird Trump über seine Haare, nicht seine Hände oder ein anderes Körperteil identifiziert. Was also hat es mit ihnen auf sich?

Zunächst einmal zu ihrer Geschichte: Den ikonischen Seitenscheitel mit Rechtsdrall trägt Trump seit 1985, als er, weit entfernt von Macht & Ruhm des Weißen Hauses, ein Nobody wie du & ich war, dessen einziger Macht & Ruhm-Faktor das millionenschwere Trump-Empire war, das sein Vater ihm übergeben hatte. Um den doch sichtbar werdenden kahlen Stellen beizukommen, trägt Trump nicht, wie oft unterstellt, ein Toupet, was Late-Night-Host Jimmy Fallon im September 2016 mit einem zarten Wuscheln durch die damals kurz vorm Präsidialen stehenden Haare bestätigte. Nicht dass Trump, auch hier ganz Mann, kein Problem mit einsetzender Kahlheit gehabt hätte. Aber um dem zu begegnen, griff der posthumanistische Magnat nicht zu einem entfremdeten Kunstprodukt, sondern zur zukunftsweisenden Selbstveränderung. Soll heißen, er ließ 1989 eine Kopfhautreduzierung durchführen, bei der operativ Stücke kahler Kopfhaut entfernt werden, um den haarigen Anteil des Kopfes zu vergrößern. Den dabei entstehenden straff-betonierten, eben nicht ganz Toupet-unähnlichen Look, rockt der Mogul seitdem mit wechselnden Haarfarben. Am berühmtesten der orangeblonde Farbton, Nickname: „Tuscan Surprise“, der ein bisschen an Chips erinnert. In den letzten Jahren aber spielen, seiner Tochter Ivanka nach, dabei die Produkte von Just For Men eine große Rolle – Trump als der Alphamann, sich stets der eigenen geschlechtlichen Hegemonialität & ihrer Rechte & Plichten bewusst. Vielleicht scheint Daddy Donald deshalb auch kein Hindernis am eigenen Körper oder dem eigenen Geldbeutel zu klein, um sich um seine Haarpracht zu sorgen, was Steuerabschreibungen in Höhe von 70.000 Dollar pro Jahr für sein Hairstyling im Rahmen der Fernsehserie The Apprentice belegen.

Wer hier jetzt missgünstig „Steuerbetrug!!” ausrufen möchte, möge sich das enorme Sendungsbewusstsein des geschiedenen Präsidenten vor Augen führen. Trump, bekannt für seine ausufernden Tendenzen zum Micromanagement, hat wie nur wenige Politiker:innen seiner Zeit all die großen Wahrheiten internalisiert, die aus den immer heißen Schmieden der Kommunikationstheorie ausgespuckt werden. Allen voran die, dass es der Spin ist, der die Erde in Bewegung setzt und damit überlebensfähig hält. Beim message control & high end twittern auch scheinbare Detailfragen wie den eigenen Kopf dem Zufall zu überlassen – unvorstellbar! Der letzte Coup, den wir erleben durften, die plötzlich altersgemäß ergrauten Haare. Ein in Fachkreisen als “breakup hair” bekannter Look zeigt, wie sehr Trump seine Haare nicht nur als einfaches Anhängsel des guten alten Fleischsacks Körper sieht, sondern als ein Kommunikationsmedium mit direktem Draht in die Presseredaktionen dieser Welt. Was Trump uns dabei im Einzelnen oder im Allgemeinen sagen will, ist, angesichts einer Persönlichkeit, für die alleine das Im-Gespräch-Sein in der Bedürfnispyramide direkt nach Essen, Schlafen & dem gelegentlichen Hate-Fuck kommt, die falsche Frage.

Eher sollten wir uns fragen, warum uns ein kleines Bündel orangenen Haares in solche Aufmerksamkeitsverzückung wirft. Trump als identitär aufgeladenes Hassobjekt, als eine Projektionsfläche, an der ich mein eigenes Linkssein beweise, dazu noch mit der Extrabedürfnisbefriedigung, spöttisch das Hassobjekt zu erniedrigen, dürfte dabei eine große Rolle spielen. Dabei werden auch wir Linke nur allzu leicht zu Zahnrädern in der Ökonomie des Spektakels, dem jede Äußerung zur Show recht ist – as long as it goes on. Menschen wie Trump, die der Logik dieses Spektakelkapitalismus nicht ablehnend oder (scheinbar) neutral gegenüberstehen, sondern als willfährige Werkzeuge alle damit verbundenen Privilegien einstreichen, profitieren von diesem Feedbackloop, der unser Selbstbild ständig an den globalen Informations- & Eventstrom koppelt. Vielleicht sollten wir als Linke & jetzt kommt der Teil, wegen dem dann wieder die Lifestyleblogger:inkarriere ein paar Jahre ruhen muss, öfter auch mal nichts zu Trumps Haaren zu sagen haben. Unsere Wut & unseren Spott abzureagieren, dazu bieten sowohl Trump wie die Welt genügend Anlässe. Heben wir uns die schönen Themen, also Haare, geile neue Kosmetik & wer mit wem knutscht, doch für die lieben & guten Menschen auf. Zum Beispiel mich & meinen shaggy Mullet & wer will eigentlich rumknutschen?