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MALMOE

„Dass ein Einkaufszentrum offenbleibt und ein Kino schließt, macht für mich keinen Sinn“

Interview mit Mirjam Bromundt, tätig im internationalen Kino- und Filmfestivalbetrieb

Hallo Mirjam, hoffentlich geht es dir gut. Wie MALMOE weiß, arbeitest du gerade am Cairo International Film Festival 2020. Magst du davon etwas erzählen und dich und deine Arbeit kurz vorstellen?

Ich arbeite in allen möglichen Positionen auf Filmfestivals. Hier in Kairo bin ich zum Beispiel „Technical Manager“ und versuche langsam einen Standard für die Projektion zu etablieren, weil es das bislang nicht gab. Bei meiner Arbeit kommt es immer darauf an, wofür ich angefragt werde. So bin ich als Vorführerin tätig, etwa bei der Viennale oder im Österreichischen Filmmuseum, manchmal bauen wir aber auch Kinos in Orte, die eigentlich keine Kino-Orte sind. Andere Male bin ich in der Vorbereitung tätig und führe die technische Überprüfung sowie die Sichtkontrolle der Filmkopien durch, anschließend schaue ich, dass die Vorführer*innen alle Infos haben, die sie brauchen. Das alles ist heute fast zur Gänze digital, aber ich arbeite auch viel mit Analogfilm, etwa beim Vorführen im Filmmuseum oder beim Betreuen und Aufbauen künstlerischer Installationen.

Das klingt sehr spannend. War es kompliziert, während dem „harten Lockdown“ zum Arbeiten nach Kairo zu reisen?

Nein, überhaupt nicht. Außer, dass mein Flug freitags hätte sein sollen und dann am Samstag war. Sonst war alles sehr entspannt.

Wie schauen die C-19-Sicherheitsvorkehrungen am Festival aus? Kann man sich das vorstellen wie bei der Viennale 2020, also Schachbrett-Sitzverteilung, Masken in den Kinos, keine Party-Programme?

Ja, so ungefähr. Halbe Kapazität, Masken werden verteilt, Abstandsmarkierungen auf dem Boden, überall Desinfektionsmittel-Dispenser und es gibt vom Festival aus auch die Möglichkeit, dass man sich in einer eigens eingerichteten Station testen lässt. Allerdings ist das Publikum sehr unterschiedlich drauf und doch einige hier nehmen Corona nicht ernst.

Inwiefern hat sich deine Arbeit seit C-19 verändert? Der Kulturbereich ist ja sehr stark betroffen.

Meine Arbeit hat sich sehr verändert. Ich wäre im März nach Saudi-Arabien auf das erste Filmfestival dort gereist, das Red Sea Film Festival. Zwei Tage vor dem Flug wurde es abgesagt. Dann ging es so dahin, ein Festival nach dem anderen wurde abgesagt und mein Wiener Kino – das Filmmuseum – geschlossen. Ich mache auch DCP-Mastering [DCP ist das Videoformat für Kinofilme, Anm. MALMOE] für Filmemacher*innen, aber wenn die Kino-Orte zu haben, dann braucht niemand ein DCP von seinem*ihrem Film. Das erste Festival war dann das Kurzfilmfest in Dresden, das von April auf September verschoben wurde, danach die Viennale. Lustigerweise kam dann immer so mittendrin, wenn die Kinos offen hatten, viel Arbeit auf einmal und es wurde ganz plötzlich stressig.

Zudem bin ich einfach ein sehr großer Fan von Kino und dem gemeinsamen Erleben von Filmen an diesem Ort. Da ist es dann echt schade, wenn das einfach wegbricht und man nichts dagegen tun kann und man fragt sich, ob das Publikum wiederkommt. Aber bis jetzt hat sich das immer bestätigt: wenn die Kinos offen sind, dann kommen zum Glück auch die Leute wieder, denen das Kinoerlebnis abgegangen ist

Das klingt nach vielen Ausfällen. Wurdest du vonseiten des Staates irgendwo aufgefangen? Wie geht es deinen Kolleg*innen damit, etwa beim Filmmuseum?

Ja, bei mir funktioniert der Härtefallfonds super, das Geld ist echt schnell auf dem Konto. Meinen Kolleg*innen international geht es unterschiedlich. In Deutschland funktioniert das nicht so super, auch in den Niederlanden gehen einzelne Freund*innen leer aus. Beim Filmmuseum waren, glaube ich, in der ersten Welle viele in Kurzarbeit, jetzt versucht man eher, Arbeit neu zu denken: Wer ist wann im Büro, welche Tätigkeiten sind auch von daheim aus sinnvoll? Wie kann man auch geringfügig Beschäftigte aus dem Abendbetrieb, der ja nicht stattfindet, mit anderen Aufgaben beschäftigen?

Welche Maßnahmen – national und international – betreffend C-19 Prävention in Kinos findest du sinnvoll, auch im Vergleich?

Schwer zu sagen, weil ich – wie wir alle – nur wenig über das Virus weiß. Ich denke halbe Kapazität, ausreichend Lüftung und Masken garantieren einen sicheren Spielbetrieb. Mir ist es nicht verständlich, warum Kinos geschlossen werden, obwohl da offiziell keine Cluster verzeichnet werden. Meistens sind die Menschen diszipliniert und zu 99 Prozent halten sie sich an die Maßnahmen. Dass ein Einkaufszentrum offenbleibt und ein Kino schließt, macht für mich keinen Sinn.

International ist das sehr ähnlich. In den Niederlanden gibt es beispielsweise generell die Regel von max. 30 Besucher*innen, egal ob das Kino jetzt 100 Plätze hat oder 500 oder sogar ein Autokino ist. Auch das macht meiner Meinung nach wenig Sinn.

Du meintest Eingangs, dass manchmal alles digital ist – viele Festivals haben dieses Jahr ja nur digital stattgefunden, etwa das THIS HUMAN WORLD. In Österreich gibt es inzwischen Streaming Portale, welche die Kinos mitfinanzieren wollen, gewissermaßen ein Paradoxon. Welche Perspektiven siehst du da, wie könnte sich das Kino und die Arbeit im Kino verändern nach C-19?

Ich denke Onlinefestivals funktionieren schon jetzt nicht mehr. Festivals wie Oberhausen haben am Anfang noch online funktioniert, weil es ganz neu war und die Menschen ohnehin daheim waren. Nach dem dritten Online-Festival interessiert das wohl nur noch wenige, das war bei mir selbst nicht anders. Ich bin dann auch schnell abgelenkt, hole das Handy heraus oder füttere die Katze. Da fehlt einfach das Erlebnis Kino in der Blackbox, wo die Aufmerksamkeit eine ganz andere ist. Das können Streaming Portale nie bieten und werden somit das Kino langfristig auch nicht gefährden, denke ich. Trotzdem haben wir neue Möglichkeiten gefunden, die Festivals und Kinos ergänzen können. Mit der Übertragung von Panels und Diskussionen etwa, an denen Menschen weltweit teilnehmen können, auch ohne in den Flieger zu steigen und den CO2-Fußabdruck zu vergrößern. So gibt es Filmgespräche mit Filmemacher*innen, die ganz wo anders sind. Da hat sich bereits viel getan und es gibt noch viel Potenzial für sinnvolle Synergien.