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MALMOE

Keine Krise vorüberziehen lassen …

Hallo, ich bin Franz und Lehrbeauftrager an der Uni Wien. Also ich führe Lehrveranstaltungen durch, halte also Vorlesungen und Seminare, nehme Prüfungen ab und betreue die Studienabschlüsse von Studierenden.

MALMOE: Als Lehrbeauftragter bist du nicht angestellt?

Franz: Nein, die Bezahlung findet pro LV statt, immer für ein Semester. Lehraufträge werden ausgeschrieben, man muss sich dafür bewerben. 

Verglichen mit dem Arbeitsalltag vor Corona, was hat sich verändert in der jetzigen Situation? Wo sind Unterschiede?

Die wichtigste Differenz ist, dass keine Face-to face-Kommunikation stattfindet. Wegen der Quarantäne sind Präsenzlehre und Prüfungen nicht möglich. Verwendet werden Internet-Tools, die von der Universität zur Verfügung gestellt werden. Neben der Lehre müssen auch die Prüfungen online abgewickelt werden.

Wie sieht das in der Praxis aus, finden Vorlesungen weiter statt oder sind die Studierenden mehr auf sich allein gestellt und müssen Dinge selbst erarbeiten?

Das hängt ganz wesentlich von den Lehrenden und von der Anzahl der Teilnehmer*innen ab. Ich habe mich nach längeren trial-and-error-Versuchen mit den verschiedenen  Videokonferenztools für ein Format entschieden, bei dem die Studierenden an einem „meeting“ teilnehmen, die Vortragenden hören und Präsentationen auf Folien sehen können. Damit die Verbindungen bei möglichst vielen Teilnehmer*innen technisch stabil funktionieren, können sich die Studierenden nicht über Mikro oder Kamera zuschalten, sondern ihre Fragen und Kommentare nur per Chat stellen. Das ist eine sehr eingeschränkte Form von Kommunikation, der Rahmen für Diskussionen ist fast auf Null reduziert. Die Qualität von Seminaren und Vorlesungen hängt aber ganz zentral ab vom Nachfragen, von Kritik, vom Austausch von Argumenten über Zusammenhänge und historische Interpretationen. Möglichkeiten für Diskussionen in Vorlesung und Seminaren können in den kurzen Chateinträgen nicht wirklich umgesetzt werden. Die direkte Kommunikation fehlt und dadurch geht ganz viel davon verloren, was ein Seminar oder eine Vorlesung spannend macht. Es gibt zwar die Möglichkeit, dass Studierende Referate halten, aber Rückfragen können nur per Chat gestellt werden. Eine richtige Seminardiskussion kann unter diesen Bedingungen nicht entstehen.

Gab es Unterstützung von der Universität Wien bei der Umstellung auf Online-Lehre? Wie hast du dich unterstützt gefühlt?

Überhaupt nicht. Die Tools waren nicht erprobt, nur sehr allgemeine Anleitungen waren vorhanden. Ich habe vor allem über trial-and-error herausfinden müssen, was funktioniert und was nicht.

Gab es Ansprechpartner*innen an der Uni Wien?

Ja, aber die wenigen für technischen Support zuständige Personen waren total überlastet. Zudem bestand das grundsätzliche Problem darin, dass es im Homeoffice unterschiedliche technische Ausstattungen sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Studierenden gibt. Alle arbeiten auf ihren Privatgeräten mit verschiedenen Betriebssystemen und Browsern. Nicht alle Online-tools sind mit allen Betriebssystemen kompatibel und Studierende können teilweise nicht an der Lehre teilnehmen, weil sie entweder nicht über die neuesten Geräte oder die entsprechende Software verfügen. Viele Studierende hatten auch Probleme mit langsamen Internetverbindungen. Insgesamt sind das alles Beschwerden auf hohem Niveau, an der Universität haben wir, verglichen mit anderen Bereichen, eine privilegierte Situation. Wir bekommen unser Gehalt ausbezahlt und können im Homeoffice weiterarbeiten.

An der Universität wurden vor einigen Jahren Hörsäle so umgebaut, dass direkt aus dem Hörsaal Vorlesungen gestreamt werden können, es scheint also auch schon vor Corona eine Entwicklung hin zur Förderung von Online-Lehre gegeben zu haben. Hast du das Gefühl, Corona verstärkt eine Tendenz, die es vorher schon gab?

Vom Rektorat der Universität Wien wurden alle Lehrenden bereits informiert, dass im kommenden Wintersemester e-learning weiter eingesetzt werden soll. Begründet wurde das nicht mit der Gefahr einer zweiten Corona-Welle, sondern als angeblich „wertvolle“ Ergänzung der Präsenzlehre. Die Möglichkeiten der Online-Lehre sind breit verwendet worden und bei manchen Kolleg*innen hat es sehr gut, bei anderen weniger gut geklappt. Die Universität Wien verfolgt offenbar die Strategie, die direkte Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden zurückzufahren und die existierenden technischen Möglichkeiten – „flipped classroom“ – weiter zu entwickeln. Es wurden nur wenige Kurse und Vorlesungen abgesagt, oberflächlich gesehen hat alles funktioniert, der Betrieb ging weiter. Als Krisenmanagerin klopft sich die Uni Wien selbst auf die Schulter. Schon vor Corona gab es Bestrebungen, große Vorlesungen zu streamen, Hörsäle wurden mit streaming-Technik ausgestattet. Wenn Vorlesungen von bis zu 999 Studierenden gebucht werden können, im Vorlesungssaal aber nur 150 oder auch 300 Plätze vorhanden sind, ergibt sich eine Diskrepanz. Die Universitätsverwaltung handelt nach der Maxime: Keine Krise vorüberziehen lassen, ohne daraus auch einen Nutzen zu ziehen.