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Profile

Becoming Digital (0x0F)

Der dezentrale Aufbau des Internet hat bei Bedrohung durch atomare Erstschläge den Vorteil, dass die Zerstörung hierarchischer Kommandostrukturen abgefedert werden kann. Solche militärischen Planspiele trugen im Kalten Krieg dazu bei, dass das US-Militär – neben Universitäten – beim Aufbau erster digitaler Netzwerke mitwirkte, aus denen sich das Internet entwickelte. Deshalb sehen manche das Internet als Erfindung des Militärs an, dessen Logik somit unabwendbar in die Struktur jeder Webseite eingeschrieben ist.

Zugleich ermöglicht eine dezentrale Struktur aber anti-hierarchische Organisationsstrukturen, die jenen des Militärs oder konservativ-patriarchal geprägter Gesellschaftssysteme zuwiderlaufen. Was dazu führte, dass in den 1990er Jahren mit dem Internet utopische Vorstellungen eines neuen „Space“ verbunden wurden, den es zu erobern gilt und der alternative Lebensweisen ermögliche. Dabei wurde der dezentralen Struktur des Internets jene der Anonymität zur Seite gestellt. Die Schaffung von beliebigen Personae sollte eine freie Entwicklung an diesem neuen Ort ermöglichen.

Bis heute sind dies zwei Positionen in der Debatte über die Struktur des Internets: jene der Organisation durch Mittel des dezentralen Netzwerks, die nicht von ungefähr an eine behauptete unsichtbare Hand des Marktes erinnert, versus jene eines utopischen Raums, der anarchische und vom Körper losgelöste Freiheit verspricht. Digitale Techniken können entsprechend unterschiedlich interpretiert und umgesetzt werden, je nachdem welche Position hervorgehoben wird.

Eine solche digitale Technik ist jene der Profile und deren Zusammenführung sowie Auswertung. Zwar wären für digitale Tools Benutzer_innenkonten nicht zwingend nötig, aber Personalisierung verspricht eine vereinfachende Benutzung. Damit einher geht eine zumindest rudimentäre Form der Identifikation. Selbst wenn in Folge keine Daten gesammelt werden, sind die wenigen Informationen, die einem Konto zugeordnet sind, bereits von Interesse. Gelingt es, Konten von unterschiedlichen Websites zusammenzuführen, lässt sich ein aussagekräftiges Profil an Interessen zeichnen.

Auch in den Digital Humanities sind Personenprofile eine Voraussetzung um soziale Netzwerke abzubilden. Digitale Forschungsprojekte, speziell in der historischen Forschung, wenden Verfahren an, in denen mittels Metadaten Personen identifiziert, deren Spuren zusammengeführt und mit weiteren Datensammlungen in Bezug gesetzt werden.

Ergibt dies für Forschung spannende Ergebnissen, ähnelt diese Methode doch der einer Überwachung. So ist das Erstellen von Profilen klassische Polizeiarbeit, die inzwischen gerne von sozialen Netzwerken übernommen wird, die sich als helfende Institutionen im digitalen Grätzel aufdrängen. Es lässt sich daran nach der militärischen Erschließung des Internet und einer darauffolgenden Anything-goes-Phase nun die polizeiliche Befriedung als aktuelle Agenda staatlicher sowie unternehmerischer Einverleibung des Internet feststellen.