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MALMOE

Die Räuberhöhle

Poesiealbum Schwarz-Blau (#7) – Letzte Einträge ins österreichische Stammbuch im überraschend erbaulichen Mai 2019

„Quid sunt regna, remota iustitia, nisi magna latrocinia“ (Was sind Staaten, aus denen die Gerechtigkeit entfernt wurde, anderes als große Räuberhöhlen?)
— Augustinus, De civitate Dei

Gerade einmal 17 Monate nach ihrem Antritt heißt es Abschied nehmen von der österreichischen Bundesregierung und damit auch von unserem ihr gewidmeten Poesiealbum. Wir haben versucht, das Unnachahmliche der Täter_innenprofile festzuhalten und dabei ein wenig Licht in die „große Räuberhöhle“ zu werfen. Unser Scheitern mussten wir allerdings alle drei Monate eingestehen und unumwunden einräumen: Es gibt noch viel, viel mehr. Mit dem Bewusstsein „es war so schlimm und kommt wohl bald wieder“ möchten wir uns nun von jedem Regierungsmitglied einzeln verabschieden und ihm einen mindestens ebenso herzlichen Dank für die „gute Arbeit“ aussprechen wie es der Bundeskanzler Sebastian Kurz tat. Außerdem wagen wir einen kurzen Ausblick auf die weitere Karriere unser geschätzten Volksvertreter_innen.

Hartwig Löger, ÖVP
Finanzen

Unbeirrbar auf Seiten der Erbeutungseliten entfloh ihm bei der Frage der europäischen Gesamtkonzernbesteuerung nur ein müdes Lächeln, das wohl sagen wollte: „Steuervermeidung for the rich is our business, stupid!“ Deswegen wurde die ÖVP schließlich erfunden. Finanziert werden die goldenen Gaben für die Upperclass durch erbarmungslose Austeritätspolitik, bei der den Ärmsten der Armen noch der letzte Groschen aus der Zahnlücke gefischt wird.
Karrierechancen: Sheriff von Nottingham

Heinz-Christian Strache, FPÖ
Vizekanzler / Öffentlicher Dienst und Sport

Der begeisterte Schifahrer (gerne auch im „Papamonat“) behielt selbst im dichtesten Schneegestöber die Übersicht und ließ sich auch von schmutzigen Fußnägeln nicht in die Irre leiten. Seine Leitungen für dieses Land sind kaum in Worte zu fassen und besser als er selbst kann man die rechtsradikal-mafiöse Machtergreifung in Wirtschaft, Medien und Politik nicht zusammenfassen: „Zack, Zack, Zack!“
Karrierechancen: Reichskanzler

Karoline Edtstadler, ÖVP
Inneres (6 Tage Ministerin, davor Staatssekretärin)

Edtstadlers enormer evolutionärer Vorteil: Sie wurde ohne eigene Persönlichkeit geboren. Dieses Faktum machte sie zum idealen Sprachrohr von Sebastian Kurz. Wenn dieser den Furzbefehl im Augenwinkel kurz aufflackern lies, dann war ihr Hintern bereits in der Luft. Sachfragen waren für sie Nebensache, sie hatte schließlich irgendwann, irgendwo mal was im Internet gelesen und sich sehr darüber aufgeregt.
Karrierechancen: mager, allenfalls Hundefängerin

Beate Hartinger-Klein, FPÖ
Arbeit, Soziales, Gesundheit und ­Konsumentenschutz

Sie gab den Menschen stets das Gefühl, dass sie nicht wusste, wo sie sich gerade befand. Legendär ihre ORF-Zwischenschnitte. Wir sehen die Frau Minister an ihrem Arbeitstisch sitzen, während sie drei Handheld-Devices gleichzeitig jongliert. Die enormen digitalen Bretter müssen von ihr auf verschiedene Halterungen montiert werden auf der Suche nach dem Post-It-Zettel ihrer Assistentin. Endlich gefunden, liest sie diesen durch. Dort steht das Wort: „Lächeln“. Macht sie und schon wieder ist ein Arbeitstag erfolgreich absolviert.
Karrierechancen: üppig, zahlreiche Verbände warten darauf, dass sie dort nichts tut

Josef Moser, parteilos (von der ÖVP nominiert)
Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

Wer braucht noch Gesetze, wenn Deregulierung das Gebot der Stunde ist? Mit dem gelebten Trumpismus von Sebastian Kurz zeigte er sich noch einverstanden, der verlangte, dass für jede Regulation zwei andere zu streichen seien. Beim Rechtsstaat light kamen ihm dann irgendwann Bedenken. Die „unabhängige Rechtsberatung“ von Flüchtlingen ins Ministerium zu verlagern, verzögerte er und die Übernahme des Geheimdienstes BVT durch blaue Aufräumkommandos kam ihm dann doch falsch vor. Restbestände an Rückgrat, die in dieser Regierung unerwartet auffielen.
Karrierechancen: Reiseleiter

Herbert Kickl, FPÖ
Inneres

Der Mann mit dem Charme eines Revolvers im Genick bemühte sich mit Feuereifer das Land autoritärer und menschenfeindlicher zu machen. Im Szenesprech heißt dies „sicherer“. Natürlich wurde nichts sicherer, nicht zuletzt weil tatkräftig Unsicherheit geschürt wurde. Ob wir je erfahren werden, welches gefährliche Intrigenspiel die Blauen gegen die „schwarzen Netzwerke“ im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung führten, wird belegen, wie wehrhaft Demokratie und Parlamentarismus in Österreich sind. Das Ergebnis erahnen wir bereits durch einschlägige Horrorfilme des Genres „Bad-On-Bad-Action“, in denen sich beispielsweise Vampire und Zombies gegenseitig zerfleischen.
Karrierechancen: Werwolf

Elisabeth Köstinger, ÖVP
Nachhaltigkeit und Tourismus

„Summ, summ, summ, Bienchen fall tot um“ geht das beliebte Kinderlied der ÖVP-Jugend. Die Worte „Umwelt“ oder „Landwirtschaft“ haben es nicht einmal mehr in die hirnrissige Bezeichnung des Ministeriums geschafft. Es war eh klar, was gemeint ist. Alles ist dem höchsten Ziele der Tourismuswerbung zu unterwerfen und ansonsten wissen die Landwirt_innen am besten, was ins Brunnenwasser gegossen gehört. Köstingers Fähigkeit alles durchzuwinken und sich auch gerne selbst noch ein weiteres Löffelchen Glyphosat in den Kaffee rühren zu lassen, machten sie zur engen Vertrauten von Kurz. Karrierechancen: Insektenvertilgerin

Mario Kunasek, FPÖ
Landesverteidigung

Ihm gelang durch geschickte Beleuchtung den Eindruck zu erzeugen, als hinge ein Rotzbremsenbart unter seiner Nase. Dies geschah keineswegs als tiefe Verbeugung vor dem „Größten Feldherrn aller Zeiten“ A. H., sondern war als eine Hommage an das Werk Charly Chaplins gedacht. Chaplins filmisch dokumentiertes Organisationstalent wollte Kunasek für die kämpfende Truppe fruchtbar machen, konnte allerdings in seiner allzu kurzen Amtszeit erst wenige Slapstick-Elemente etablieren.
Karrierechancen: Losverkäufer

Heinz Faßmann, parteilos (von der ÖVP nominiert)
Bildung, Wissenschaft und Forschung

Mit ihm türmten sich zwei Meter ausgewachsener Opportunismus über Österreichs Schulen und Studienstätten. Mit versnobter Attitüde ließ er jederzeit durchblicken, dass er die von ihm vertretene Politik ohnehin für falsch hielte. Was ihn nicht davon abhielt, diese mit autoritären Mitteln (Drohung mit Disziplinarstrafen) durchzusetzen. Durch ihn wurde in Österreich die Segregation an Schulen vorbereitet, die genau jene Konflikte hervorrufen wird, vor denen die Rechten immer gewarnt haben. Unvergesslich wird seine Einschätzung bleiben, dass er sich nicht über jeden rechtsradikalen Einzelfall in der Koalition beschweren könne, weil damit die Regierungsarbeit zum Erliegen käme.
Karrierechancen: Zirkusattraktion „Gummimensch“

Norbert Hofer, FPÖ
Verkehr, Innovation und Technologie

Sein Herzensprojekt, die Einführung des Rechtsabbiegens bei 140 km/h, konnte er noch nicht in allen verkehrsberuhigten Zonen durchsetzen. Auch musste er im Ministerium lernen, dass sein am ewigen Wahlkampf der FPÖ geschultes Gepolter nicht immer zieht. Als Minister hat er nicht nur dem „Volk“ die populistischen Sprüchlein ins Ohr zu legen, sondern ist auch oberster Erfüllungsgehilfe der Industrieinteressen. Deswegen musste er sich manches Mal zurückpfeifen. In einem war man sich aber einig: Sicherheit und Wohlergehen von Mensch und Natur sind unwichtig. Eh klar.
Karrierechancen: Gärtner (ewiger)

Margarete Schramböck, ÖVP
Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

Unvergesslich ihre Auftritte als sie am hellen Tag mit der Laterne in der Hand auf den Markt lief und rief: „Wo sind Fachkräfte?“ Niemand wusste so gut wie sie, die Menschenverwertungsmaschinerie braucht Frischfleisch und dieses ist von den Institutionen des Staates unumwunden auszuliefern. Schulen, Universitäten halten die Leute nur auf mit ihrem Bildungsballast. Ihre Vision war, die Birnen kurz aufschrauben, Bedienungsmanual reinschreddern, ein Tritt in den Hintern und dann ab auf den Arbeitsmarkt. Das stagnierende oder nur ganz leicht sinkende „Lebenseinkommen“ wird es ihnen danken.
Karrierechancen: Moderatorin von „Money Maker“

Karin Kneissl, parteilos (von der FPÖ nominiert)
Europa, Integration und Äußeres

„Knicksi“ Kneissl belegte, dass man sich die Gäste auf der eigenen Hochzeit einfach nicht aussuchen kann. Während sie das Gesicht im Staub vergraben hatte vor lauter Hochachtung gegenüber dem „Überraschungsgast“ Putin, konnte sie am „schönsten Tag in ihrem Leben“ die Gelegenheit nutzen, die strategische Ausrichtung der Bundesregierung zu dokumentieren: autoritär, illiberal, Ressentiments schürend und Rechtsstaat beseitigend waren die Stichworte, zu denen die versammelte Bundesregierung applaudierte. Zar Putin meinte, ein einfaches „да“ hätte ihm an diesem Tag genügt. Karrierechancen: Sprengkopf

Juliane Bogner-Strauß, ÖVP
Frauen, Familien und Jugend

Der eiskalte Racheengel machte Jagd auf arbeitsscheue Nichtsnutze (Kinder) und selbstsüchtige Querulant_innen (Frauen). Dabei hatte sie den Vorteil, dass sie einen direkten Draht zum Patriachat besitzt und zwar aufgrund der Gehirnimplantation eines Funksenders durch Sebastian Kurz. Frauenvolksbegehren, Geschlechterquote oder Arbeitszeitverkürzung: alles nichts für sie. Weil Kinder eh den ganzen Tag nur rumhängen, gibt es ab einer bestimmten Menge halt kein Geld mehr für die kleinen Durchschummler. Logisch.
Karrierechancen: Sachbuchautorin („Warum Frauen es mit der Emanzipation übertreiben“ / „Prinzip Leistung in der Krabbelgruppe“)

Gernot Blümel, ÖVP
EU, Kunst, Kultur und Medien

Darüber, dass ihm die Kunst am polierten Popöchen vorbeigeht, ließ er nie einen Zweifel. Er weiß aber sehr genau um das demagogische Potenzial der Medien und versuchte mit autoritären Maßnahmen, alles was sendet und verbreitet im Land auf Linie zu biegen. Wie ein Feudalherr hielt er Hof und erwartete sich von den Kulturschaffenden den untertänigsten Knicks. Prinzip: Millionen für die Folgsamen, Streichung für die Unbotmäßigen. Seine Brüder im Geiste legten diese Konzeption einer illiberalen Medienpolitik in einem avantgardistischen Kunstfilm mit dem Namen „Ibiza-Video“ dar.
Karrierechancen: Leiter der Seefestspiele Mörbisch

Sebastian Kurz, ÖVP
Bundeskanzler

Der fleischgewordene Enkeltrick, der noch jede Großmutter verkauft hat, wird insbesondere von diesen geliebt. Gelernt hat er aus der jetzt krachend gescheiterten Regierung sicherlich nichts, nur zwingt ihn auch keine kritische Öffentlichkeit dazu. So kommt es, dass der Ex-Kanzler einsichtsfrei durch die ihm ergebene Krone mitteilt: „Ich würde heute nichts anders machen.“ Diese Drohung muss man sehr ernst nehmen.
Karrierechancen: Kanzler auf Lebenszeit (Plan B: Tierstimmenimitator)