MALMOE

Prädikat: Besonders wertvoll!

Engagierte Filme über Geld haben Konjunktur

Im Film mutet die Welt oft einfach an. Man muss nur ganz genau hinsehen und zuhören, um sie zu verstehen. Es scheint, als spräche die Welt durch den Film zum Publikum und nichts Rätselhaftes bliebe vor dem kritischen Auge verborgen. Davon sind zumindest Filmanalysen überzeugt, welche vor allem auf Youtube die avancierten Filmkenner:innen begeistern. Ohne viel Tamtam beten sie aus den Bildern und dem Gesprochenem ihre Weissagungen herbei. So könnte man meinen, der Film sei nur ein starres Vergrößerungsglas, durch welches die Wirklichkeit besser zu erkennen sei. Für die Bewegung der Bilder mag das vielleicht stimmen, aber an der gesellschaftlichen Wirklichkeit droht diese Behauptung zu scheitern.

Wirklichkeit im Handgemenge

Im Grunde ist die Diskussion um die Wirklichkeit des Filmes ein alter Hut. Und trotzdem taucht sie, vor allem indirekt, immer wieder auf, wenn sich Filme mit Dingen beschäftigen, die sich der Wahrnehmung des banalen Alltags entziehen. Doch wie ist das, wenn da das Geld ins Spiel kommt? Beim Stichwort „Geld im Film“ liegt wahrscheinlich die unmittelbare Assoziation nicht bei Robert Bressons L’argent (FR, 1983), wie man vom Namen her vermuten könnte, sondern wohl eher bei Oliver Stones Wall Street (USA, 1987). Dieser Film ist zum Paradebeispiel geworden, was die Darstellungen des Geldes betrifft. Nicht etwa, weil das Geld darin besonders sichtbar wäre – im Gegenteil: Oliver Stones Film steht vielmehr als ein Symbol für die offenbare Unsichtbarkeit des Geldes im Bankenwesen. Eine Konstellation wie gemacht für die Illusionsmaschine. Zugleich bietet sie aber einen Nährboden für die moderne Transformation alter antisemitischer Klischees: gierige, skrupellose, koksende Broker, die mit ihrer Kapitalmacht an den Strippen der Welt ziehen.

Das ist so gesehen nichts Neues und wurde durch alle Register der Ideologiekritik gespielt. Zwar lässt sich aus dieser Perspektive beobachten, wie der Film über das Geld denkt, beziehungsweise: welche Rolle es für ihn spielt. Jedoch erklärt das nicht, wie das Geld eigentlich in den Film kommt. Der Kauf einer Packung Zigaretten in einem Film wirkt geradezu banal. Man vermutet, dieser würde sich nicht von dem in der Realität unterscheiden. Er ist so banal, dass man den Tausch von Geld und Ware nicht einmal zeigen muss. Es genügt zu sehen, wenn eine Person in die Trafik geht und wieder herauskommt. Seltsam und scheinbar natürlich erscheint der Tausch in dieser filmischen Weise.

Hauptsache: Dagegen

Es mag vielleicht einleuchten, das erzählerische Unterhaltungskino so zu betrachten, doch was ist mit dem ernsten und vermeintlich objektiven Dokumentarfilm? Ist dieser nicht der Realität verpflichtet – der richtigen? Auch die dokumentarische Form pflegt eine gewisse Vorliebe für das scheinbar Unscheinbare, wie das Geld. Vermittelt durch die Handlungsweisen der Menschen bestimmt es unseren Alltag in jeder Hinsicht, was es gerade für den dokumentarischen Blick so interessant macht.

Mag diese Trennung zwischen Fiktion und Dokument zwar fragwürdig sein, zeigt sie dennoch zwei verschiedene Modi auf: Geld kann einerseits als heimliches Requisit, andererseits als offenliegender Stoff des Films erscheinen. Letzteres ist in der Regel verbunden mit der erhabenen Geste, dem gelehrigen Publikum die Welt zu erklären. Als aktuelle Beispiele ließen sich dafür Carmen Losmanns Oeconomia (DE, 2020) oder auch Daniel Hoesls und Julia Niemanns Davos (AT, 2021) nennen.

Obgleich die Perspektive dieser Filme selten über das gewöhnliche Alltagsbewusstsein des „Das darf doch nicht wahr sein!“ hinausreicht, wähnt man sich mit erweckenden, bildgewaltigen Argumenten gegen mehr oder weniger beliebige Verwertungslogiken. Am Ende springt für diese kritische Kritik ein dubioses Qualitätssiegel heraus, das von öffentlichen Institutionen, wie beispielsweise der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW), verliehen wird. Dass damit an den Fundamenten des Wertgesetzes nur wenig gerüttelt wird, sollte klar sein.

Es spukt

Allzu schön wäre es, wenn uns Filme ersparen würden, Mal um Mal den verstaubten MEW-Band aus dem Regal zu holen. Es heißt, der sowjetische Filmemacher Sergej Eisenstein habe 1927 geplant, das Kapital zu verfilmen. Um einen schnöden „Nuts and bolts“-Film wird es sich dabei aber kaum gehandelt haben. Vielleicht hat er sich gefragt, warum sich Film und Geld so sehr für einander interessieren. Sind sich die beiden einander vielleicht näher als man denkt?

In Gerhard Friedls befremdlich anmutendem Film Hat Wolff von Amerongen Konkurs-Delikte begannen (AT/DE, 2004) wird dies spürbar: Über 73 Minuten hinweg montiert Friedl Panorama-Schwenks von Industrieanlagen aneinander, während in knappen, monotonen Sätzen durch den Sprecher eine in Teilen fiktive Geschichte deutscher Großindustrie wiedergegeben wird. Dabei lüftet er allmählich den Schleier, hinter dem die Eigengesetzlichkeit des Films erkennbar wird. In ihm liegt kein Geheimnis, das nur Eingeweihten zugänglich wäre, vielmehr bietet er die Möglichkeit, den Film und sich selbst beim Denken zu beobachten. Friedls Film macht sich etwas zu eigen, das Harun Farocki in einem einschlägigen Beitrag der Filmkritik 1980 das „Wertgesetz Film“ nannte. Film, gleich dem Geld, ist darin kein bloßes automatisches Subjekt, sondern spezifisch durch das reale Handeln der Menschen vermittelt. Im Film wird nicht einfach nur über Geld gesprochen oder Geld benutzt: Es gilt davon auszugehen, dass die Art, wie wir Filme verstehen, vor allem etwas darüber aussagt, wie wir Geld verstehen.

Filme, die das begriffen haben, wie der zu Beginn genannte L’argent von Robert Bresson, sind allerdings eher die Ausnahme als die Regel. Das könnte wohl daran liegen, dass man sich im Allgemeinen vor einer Auseinandersetzung mit dem Spezifischen der Filmform scheut. Filme, wie auch die Kritik an ihnen, sind dahingehend von einem latenten Desinteresse gekennzeichnet und widmen sich lieber der Anhäufung von affirmativen, inhaltlichen Fragen. Womöglich betrachten sie auch das Problem der Form schon als gelöst, oder: es ist für sie schlicht bequemer so, also konsumierbarer.