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MALMOE

Krisenrenitent

“Das rote Zeckenparadies geht allen auf die nerven!!!“


Irgendein französischer Intellektueller hat irgendwo mal auf eine Frage zum Wort Krise geantwortet: „Es ist nur ein Wort, das die Unfähigkeit der Intellektuellen bezeichnet, ihre Gegenwart in den Griff zu bekommen oder darüber hinauszukommen! Das ist alles!“
Ausgerüstet mit diesem schlauen Vorbehalt listen wir einmal die aktuellen „Krisen“ auf, die uns persönlich betreffen, es geht um (festhalten!): Medien und Moral.


Medienkrise


Die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt (sic!), die Wiener Zeitung, bangt seit mehr als einem Jahr um die überlebensnotwenige staatliche Unterstützung. „Unten“ in unserem Universum kleiner und kleinster Grassroots- und DIY-Medienprojekte (siehe BAM!, Bündnis alternativer Medien) vernehmen wir wie feinste Seismographen die Änderungen sofort: Seien es steigende Papierpreise aufgrund von „Lieferengpässen“, Portoanhebungen bei der Post oder ausbleibende Verkäufe/Abos, weil an allen Ecken gespart werden muss. Ein paar hundert Euro machen schon einen existenziellen Unterschied. Gegen diese letalen Entwicklungen soll staatlich vorgegangen werden. Gut. Nur sind es ausschließlich die großen Medienhäuser in Österreich, die Anspruch auf Förderungen haben. Ein Beispiel: Die aktuelle Gesetzesvorlage sieht vor, dass mindestens drei Personen (jetzt wohl reduziert auf eine) als Journalist:innen beim Medium festangestellt sein müssen. Dabei geht es offenkundig um die Erhaltung von Strukturen (Arbeitsplätzen), aber weniger um die Förderung journalistischer Arbeit. Die MALMOE ist weit davon entfernt, die strukturelle Herkulesaufgabe zu stemmen, einen fixen Arbeitsplatz zu schaffen, sie könnte aber bei schlauer Förderung den zahlreichen talentierten Autor*innen zumindest eine Aufwandentschädigung bieten.


Moralkrise


Ein gesellschaftlicher Aufschrei blieb weitestgehend aus, als die Chefredakteure Rainer Nowak vom bürgerlich-konservativen Medium Die Presse und Matthias Schrom vom öffentlich-rechtlichen Medium ORF ohne viel Tamtam ihren Posten räumten. Der Spin lautet: Vertrauen wurde wiederhergestellt. Ach, wirklich? Zumindest die ein wenig linksliberalere Zeitung Der Standard sah sich dazu veranlasst, einen Transparenzblog zu starten, mit dem vielleicht nicht ganz so runden Titel „So sind wir“. Nicht immer sind Humor und Offenbarung genau zu trennen. Wo das System der Postenvergabe von mächtigen Positionen in Politik und Medien reformierbar ist, bleibt abzuwarten.
Schon lange versuchen Konservative und Rechte durch Medienkontrolle ihre Hegemonie auszubauen und das Feld des Sagbaren zu verschieben. Sogenannte liberale bzw. bürgerliche Medien springen allzu gerne auf diesen Zug auf und biedern sich an. Sei es zum Zweck von Clickbaits oder weil sie selbst anfangen, die rechten Erzählungen zu schlucken.
Nicht zuletzt bezeugt auf sehr brachiale Weise die Nachricht vom ehemaligen Deutsche-Bank-Aufsichtsrat und durch den Wirecard-Skandal zu Fall gebrachten Alexander Schütz an den extrem Rechten und damaligen Vizekanzler HC Strache, wie über die Pressefreiheit (hier: ORF) in Österreich gesprochen wird: „Das rote zeckenparadies geht allen auf die nerven!!!“ Wäre die Sache nicht so bitter ernst, könnten wir uns direkt mit dieser Diffamierung identifizieren.


Krisenrenitenz


Auch wir bleiben nicht verschont von einer grundsätzlichen Zuspitzung gesellschaftlicher Verhältnisse. Ein Medium wie MALMOE – das zu 99 Prozent auf ehrenamtlicher, also unbezahlter Arbeit beruht – ist stark von gesellschaftlichen Entwicklungen betroffen. Obwohl das Projekt seit über 20 Jahren am seidenen Faden hängt, gibt es uns. So trotzen wir zum einen der Realität, arbeiten zum anderen aber auch gegen sie an. Eine Realisierung, die wir bei einer Extended Sommerklausur in Koroška/Kärnten, nahe Železna Kapla/Eisenkappel während ausgiebigen Wandertouren und Museumsbesuchen verankert haben, war, dass wir dem Kollektivgedanken der Redaktion mehr Platz einzuräumen möchten. (Deshalb schreiben wir Kommentare wie diesen jetzt gemeinsam …)


Um der MALMOE ausgiebiger Zeit zum Heftplanen und gemeinsamen Gestalten zu geben, beschlossen wir, künftig an zwei Terminen pro Jahr mit einer Doppelnummer zu erscheinen. Leicht zu merken: einmal in der kalten und einmal in der warmen Jahreszeit. Damit die Änderungen auch Form annehmen, wird die MALMOE neben dem bekannten Format nun auch ein Magazin enthalten, das sich entlang von zwei Themenkomplexen entfaltet. Den Auftakt machen die Begriffspaare „Müdigkeit und Kälte“.


Als Printmedium, das auf Papier erscheint, fühlen wir uns trotz rasant schwindender Auslagefläche an linken Orten, Bibliotheken, studentisch verwalteten Uniräumen und bei gleichzeitiger „Papierkrise“ trotzdem darin bestärkt, auch weiterhin auf Papier zu erscheinen, weil dies die MALMOE einfach ausmacht. Mit der Entscheidung, auch weiterhin Print gegenüber Digital zu bevorzugen, versuchen wir, gegen die neue Gewohnheit zu intervenieren, die uns konditioniert hat, nur mehr kleine, kurzlebige Medien-Bites zu konsumieren, die auf Schockmomente setzt und davon lebt, neue Tabubrüche zu vermarkten. Wir setzen auf „Umfang“, um es unseren Lesenden zu ermöglichen, komplexen Realitäten mit umfangreichen Formaten zu begegnen. Unsere Glaubwürdigkeit wollen wir erhalten, indem wir mit den Menschen sprechen, die in sozialen Bewegungen sind, indem wir Betroffene zu Wort kommen lassen, jedes rezensierte Buch tatsächlich lesen und für 100 Prozent der Artikel ein Lektorat und so einen Doppelcheck organisieren.


Als Kollektiv produzieren wir nicht nur eine Zeitung, wir bilden eine Gruppe von Menschen, die trotz verschiedenster Hintergründe gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Das schafft Gemeinschaft, Freundschaft und einen Raum, wo wir außerhalb formalisierter Bildungseinrichtungen uns gegenseitig erlauben, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen oder auch nicht.


Euer MALMOE-Kollektiv