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MALMOE

Kommentar

Terror. Zerreißt. Alles.

Die Auswirkungen von Terror sind allumfassend. Kaum ein Aspekt gesellschaftlichen Lebens bleibt unberührt: Reaktionäre Politik schlägt Kapital daraus und schränkt demokratische Freiheiten weiter ein. Forderungen nach Abschiebungen werden laut, während sich antisemitischer Zorn im Internet und den Straßen entlädt. Diskussionen, bestimmt von Komplexitätsreduktion, verknappen den Austausch mit aufgeschnappten und im Affekt reproduzierten Phrasen. Die Fronten sind verhärtet, aufgebaut von einem bipolaren Gerüst, die Logik eingepresst in Freund und Feind. Teils wird das vertraute Umfeld auf die Probe gestellt, teils zerbrechen sicher gelaubte Welten. In dieser allgemeinen Stimmung vermögen es nur einzelne Stimmen, ein wenig Hoffnung zu stiften. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass fatalerweise bald alles wieder so sein wird, wie es einmal war. Denn die momentan aufbrechenden Konfliktlinien waren schon lange da.

Brüder im Geiste

Wenig überraschend, sind es innerhalb des anhaltenden Krisenzustands immerzu männlich dominierte Bewegungen, von denen Gewalt und Unterdrückung ausgeht. Krampfhaft versuchen sie sich zu stärken an dem, was sie zerstören. Dabei fallen auch zwei Männernamen ein, wenn es um die transnationale Verknüpfung gewaltverherrlichender Ideologien geht: Oliver Farid Hashemizadeh (Gründer BDS Österreich, Sprecher von Dar al-Janub) und der Hamas-Führer Ismail Haniyya, mit dem er sich im Mai 2021 ablichten ließ und das Foto auf seinem Facebook Account teilte. Hashemizadeh ist ein prominenter Akteur der hiesigen antizionistischen Bewegung. Organisator_innen von Palästina Solidarität Österreich, BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) und AIK (Antiimperialistische Koordination) stehen teils offen in engen Beziehungen mit dem islamistischen Milieu, türkischen Rechtsextremen und neofaschistischen Kreisen wie den Identitären. Diese Querfront aus extremen Rechten und Islamist_innen ist genährt von Gemeinsamkeiten: dem Hass auf die westliche moderne Gesellschaft, die Verherrlichung von Gewalt und im Zentrum ihr tiefsitzender Antisemitismus.

Diese Querfront ist anschlussfähig mit den Positionierungsbemühungen von amtsführenden Politiker_innen, die sich einer ausgemachten palästinensischen Sache verschrieben haben: So versucht sich der Autokrat Erdoğan gerade jetzt durch Gesten der Sympathie mit der Hamas als Führer der arabischen Welt zu inszenieren, unterdessen läuft die Inflationsspirale der Türkei ungebremst weiter. Dann ist es Katar, das sich als scheinheiliger, diplomatischer Vermittler anbiedert. Und nicht zuletzt Putin, der sich seit bald zwei Jahren in einem Angriffskrieg gegen die Ukraine befindet und ebenso nach bedeutungsschwangeren Worten für die Hamas sucht. Auf die Frage, ob es ein Problem für die NATO sei, dass Erdoğan die Hamas als Befreiungsorganisation protegiert, bekennt Generalsekretär Stoltenberg, dass dieser Konflikt für das Bündnis keine Rolle spiele. Sicher weiß er, dass es keine geopolitische Unabhängigkeit durch diese Unterstützungserklärungen gibt. Immerhin ist es das Mullah-Regime in Iran, das um Vorherrschaft in der Region gegen Saudi-Arabien kämpft und in diversen Stellvertreterkonflikten involviert ist. Die brutale Niederschlagung der feministischen Revolution kommt aus derselben Hand, die den Terror auf Israel seitens der Hamas und Hisbollah finanziert.

Vereint im Hass

Noch vor zehn Jahren erlebte die ganze Region, von Kairo bis nach Damaskus, den sogenannten „arabischen Frühling“, der die etablierten Machtsysteme erschütterte. Der Backlash gegen diese Bewegungen und damit letztlich die eigene Bevölkerung hält weiter an. Dass Israel von allem nicht unbetroffen bleibt, beweist Benjamin Netanjahu, der sich, unter Korruptionsverdacht stehend, im Kompromiss mit ultra-rechten Politikern die Regierungsfähigkeit und damit strafrechtliche Immunität sicherte. Über ein Jahr lang strömten deshalb bis zum 7. Oktober jeden Samstag mehr als hunderttausend Menschen für Demokratie auf Israels Straßen. An ihrer Entschlossenheit muss nicht gezweifelt werden, das beweist etwa die Bestreikung des zentralen Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv im März dieses Jahres. Aber nicht zufällig fielen die Hamas-Terroristen am 7. Oktober über ein Musikfestival her. Nicht zufällig waren es Kibbuzim, die mörderisch heimgesucht wurden und in Flammen aufgingen. Dieser Terror ist und war immer ein Angriff auf das freie Leben, ein Angriff, mit dem Israel für das Versagen der Nachbarländer herhalten muss.

Der Terror negiert Diplomatie und die Normalisierung zwischenstaatlicher Beziehungen. Und dabei machen sich westliche Staaten mitschuldig, wenn es ihnen nicht gelingt, die Islamische Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste zu setzen sowie Konten und Gelder einzufrieren, die die Hamas finanziell versorgen. Terror ist eine Form, durch die gewaltsam Tatsachen geschaffen werden. Doch die geopolitische Analysefähigkeit bleibt schwach, als habe nichts mit nichts zu tun. Stattdessen haben jene relativierenden Perspektiven Hochkonjunktur, die im methodologischen Territorialismus verfangen bleiben. Als würde die Welt nur „From the River to the Sea“ reichen. Dass als Theoriearbeit verstandene Rhetorik zum Werkzeug der Diffamierung Israels verkommt, ist bekannt. Deshalb bleibt Israelbezogener Antisemitismus die beständigste Analyseschablone, um die aktuelle Situation verständlich zu machen.

Verlorene Generationen

Immer dann, wenn linke Reden auf Demos in diesem Zusammenhang vermeintliche Klarheit propagieren, wird historische und politische Komplexität kassiert. Es braucht einen Raum, der es ermöglicht, über bestehende Grenzen hinwegzudenken und Perspektiven aufzuzeigen, wo Mauern die Sicht verdecken. Solange Autor_innen wie etwa auch der Mitbegründer der „Orientalismustheorie“ Edward Said oder Sari Nusseibeh von den palästinensischen Behörden verboten bleiben, gibt es dort keine Grundlage für eine intellektuelle Befreiung. Und auch solange Israel durch Siedlungen, Checkpoints und Patrouillen Teile der Westbank beherrscht und durchsetzt, kann es keine Grundlage für ein freies Denken der Menschen vor Ort geben. Transgenerationale Traumata, zerrissene oder gar ausgelöschte Familien durchziehen die Gesellschaften im Nahen Osten. Sie setzen sich ungebrochen fort und schreiben sich ins kollektive Gedächtnis ein. Sowohl die Hamas mit ihrem eliminatorischen Antisemitismus als auch die Zwangsevakuierung von Teilen Gazas bedienen altbekannte Bilder und Muster, die sich nur schwer aufarbeiten lassen. Dafür braucht es Zeit und Mut. Genauso sehr, wie für eine notwendige erneute gegenseitige Annäherung, sei der „Zwischenraum“ zu Beginn auch noch so klein. Im Sprechen über den Konflikt fehlt davon leider aktuell jede Spur. Zu hoffen bleibt, dass wenn die Nacht am tiefsten ist, der Tag am nächsten ist.


Redaktion MALMOE