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MALMOE

Ein Concealer, das Desaster 
und der Katzenjammer

Es ist einige Jahre her, da sitze ich vor Beginn einer meiner Buchpräsentationen mit der Organisatorin noch bei einem Kaffee zusammen, als sie sagt: „Du, ich muss mir noch schnell ein Gesicht aufmalen!“ Nimmt ein Schminktäschchen aus dem Rucksack und verschwindet Richtung Toilette. Als sie zurückkommt, ich voller Bewunderung: „Ah!“ und „Oh!“ Sie hat das Bedürfnis, sich zu erklären: „Weißt du, so fühle ich mich nachher auf der Bühne einfach sicherer.“ Ich verstehe. Ich verstehe vollkommen.

Allerdings: Ich hätte Angst gehabt, mit meinen Schminkkünsten auf der Bühne dann unfreiwillig wie eine Clownin auszusehen (so wie Brigitte Bierlein, bevor sie Kanzlerin wurde, oder wie ich selber auf Fotos aus den 1980er-Jahren, als exzessives Wangenrouge und blauer Lidschatten noch angesagt waren). Das „richtige“ Schminken habe ich seither komplett verlernt – nicht zuletzt, weil in meinen damaligen Jugend- und Popkulturen mensch* sich Gesichter nach Lust und Laune aufmalen durfte.

Im Pandemieherbst 2021 war ich nun zu einer Zoom-Konferenz eingeladen mit lauter „wichtigen“, aber „wildfremden“ Leuten. Schon zuvor war mir aufgefallen, wie gnadenlos die Laptop-Kamera mein Gesicht wiedergibt, wie alt ich „dort“ aussehe und dass ich „offensichtlich“ furchterregende Augenringe bekommen habe. Also wurde ich ein bisschen nervös. Zwei Tage vor dem Zoom-Termin dann wildes Googeln (bitte, wie heißen diese Sachen heute?) und auf brigitte.de endlich einen Artikel zum Thema Augenringe gefunden. Ein neues Wort gelernt und eine Einkaufsliste gemacht: Schminke heißt jetzt „Concealer“, und zum Abschminken wird „Mizellenwasser“ verwendet. Einen Tag vor dem Termin eingekauft, aber genervt und erschöpft alles liegengelassen mit der Folge, dass ich diesen Concealer erst eine Stunde vor dem Termin ausgepackt habe.

Was für ein Desaster! Um die Anleitung zu entziffern, musste ich nicht nur zur Lupe greifen, ich hätte sie auch befolgen sollen. So aber hektische Testläufe und die halbe Bottle Mizellenwasser geleert.

Mitten in dieser verrückten Versuchsanordnung das Wesentliche, nämlich die Inhalte der Zoom-Konferenz, nicht zu vergessen, war das eigentliche Kunststück – das mir immerhin gelungen ist.

Hinterher aber der Katzenjammer: Wie alt (im Sinn von „reif“) muss ich denn noch werden, damit mir sowas nicht mehr passiert? Wie bedenklich ist es eigentlich, dass ich nur aus purer Faulheit nicht auch noch eine „Ringlicht-Lampe“ gekauft habe, die Standardausrüstung all der „jungen und schönen“ Youtuber– und Instagrammerinnen? Und ist es nicht auf jeden Fall äußerst bedenklich, dass ich (wenn auch zu reinen Recherchezwecken!) die neue Staffel von GNTM (Germany’s Next Topmodel by Heidi Klum) anschaue? Nur weil sie „Diversity-Edition“ heißt und in dem Bootcamp jetzt nicht mehr nur junge Frauen* gedrillt werden, sondern auch kleine (Pardon, „petite models“!), dicke (Pardon, „curvy models“!) und alte (Pardon, „senior models“!)? Gegen grassierenden Ageism hilft laienhaftes Übertünchen von Augenringen und Altersflecken jedenfalls genau gar nichts (war ja klar).