MALMOE

Der Showdown

Aus der Reihe: ku. & ko. Das phantastische Geschäft

Neben dem kleinen Park in der Seitenstraße liegt das wohl berühmteste Geschäft der Stadt. „Haben wir nicht, gibt’s nicht“ steht am Schild auf der Tür. Eben ertönt der Durchgangsmelder mit seinem wohlklingenden Glockenspiel. Die Polizei ist da.

Inspektor Zwezler hebt seinen Dienstausweis in die Höhe. „Meine Damen und Herren, das ist eine Hausdurchsuchung.“ Sein Kollege Moik schleicht von hinten hervor, bringt sich breitbeinig in Stellung, öffnet die linke Seite seiner Lederjacke und präsentiert einen leeren Pistolenhalfter. „Und keine Panik, meine Dienstwaffe steckt im Hosenbund, falls Sie denken, dass …“
„Mein lieber Moik, bitte jetzt keine Späße, wir haben hier einen wichtigen Einsatz. – Sie haben es gehört, Hausdurchsuchung … Sie stehen unter Verdacht, hundsgemeine Betrüger und Hochstapler zu sein!“

Konrad steht wie angewurzelt hinter der Theke und hält sich an seiner Strickjacke fest. Ihm schwirrt der Kopf. Warum und weshalb? „Hausdurchsuchung“, stammelt er. „Davon wusste ich gar nichts. Da muss ich mit der Chefin reden. Kuna … Kuna!“ Konrad blickt verdattert nach rechts. Eben stand sie noch hier, doch nun scheint sie wie vom Erdboden verschluckt. „Das wussten Sie nicht? Ach so!“, spielt Moik den Überraschten. „Also, wenn wir nicht angemeldet wurden, dann gehen wir jetzt und kommen in einer Stunde wieder, ist das recht?“ Konrad überlegt, doch der Inspektor gibt zu verstehen, dass er nicht weiter zu überlegen braucht, und befiehlt Moik, mit der Durchsuchung zu beginnen. Dieser stöbert wie ein Spürhund von Regal zu Regal, während Zwezler Konrad mit seinem eindringlichen Blick fixiert. „Wo ist denn Ihre bessere Hälfte? Ich hätte ein paar Fragen an sie“, raunt der Inspektor. Konrad schüttelt den Kopf. „Ich weiß es nicht. Eben stand sie noch hier, aber nachdem Sie herein sind, muss sie verschwunden …“
„Geflohen?!“
„Nein, nein, verschwunden geworden sein“, stottert Konrad weiter. „Ich kann mir das nicht erklären. Sie ist so eine herzensgute Chefin. Sie ist wie ein Vater zu mir. Das muss ein Missverständnis sein. Niemand ist ehrlicher und korrekter als sie.“
„Hast du gehört, mein lieber Moik?“ Der Inspektor lacht. „Ehrlich und korrekt! Das phantastische Geschäft, mein lieber Herr Konrad, ist der größte Betrugsverein des Landes. Nichts hier ist echt. Schauen Sie, Herr Kollege …“ Konrad beäugt mit steigender Unruhe den Inspektor, der zackig zu dem mächtigen Bücherregal schreitet. „Alles Fassade, Lug und Trug! Hier, die vermeintlich seltene Erstausgabe, doch“, Zwezler genießt sichtlich den Effekt seiner gesetzten Pause, den seltenen Geruch von Angst, der aus Konrads Richtung strömt, „zwischen den Buchdeckeln ist nichts, Leere, nada!“
„Ich glaub, das wird gerade restauriert“, versucht nun Konrad, die Situation etwas zu entspannen.
„Wo ist sie denn, Ihre Chefin?“, fällt ihm Moik ins Wort und überwindet mit einem Satz die Distanz zum Tresen.
„Immer schön langsam, lieber Kollege“, ermahnt ihn der Inspektor, „hier lauert die Gefahr an allen Ecken. Stimmt doch, Konrad, oder soll ich eher sagen Woodchuck Man!“ Und tatsächlich, Konrads Strickjacke wird lebendig und ein schier unendlicher Strom an kleinen Murmeltieren bewegt sich auf den verdatterten Moik zu. Moik begibt sich sofort in die Simmeringer Deeskalationshocke und versucht, die emporkletternden Murmeltiere von der Lederjacke zu beuteln. Der Inspektor eilt ihm zu Hilfe und beginnt, den Teppichklopfer auf Moik und die ihn bekrabbelnden Murmeltiere niedersausen zu lassen – Tromp Tromp Tromp –, bis auch das letzte gedemütigt in Konrads Strickjacke zurückkriecht.
„So fallen also die Masken“, zischt Zwezler und hilft Moik auf die Beine. Moik nickt dankend und versucht, noch leicht taumelnd Haltung anzunehmen. „Und wo Woodchuck Man ist, kann auch sein Partner …“
„Stopp!“, unterbricht ihn Konrad: „Letztes Angebot: Unsere Wege kreuzen sich nie wieder, und das alles eben haben Sie nur wegen Ihrer Überarbeitung gesehen. Deal?“ Zwezler schnaubt verächtlich:„All die Jahre habe ich auf diesen Moment gewartet. Während andere Feierabend machten, habe ich …“ Moik deutet ihm mit breiten Ruderbewegungen der Arme, dass er endlich ans Ufer kommen soll. Zwezler kneift kurz die Augen zu und inspiziert dann flüchtig den Fußboden. „Nun denn, zeig dich, du widerliches Ungetüm!“ Und tatsächlich, eine ekelhafte, zähe Flüssigkeit fließt nun unter der Theke hervor, scheint sich aufzutürmen und mit einem langen Schlürfgeräusch morphisiert sich Kuna, die schelmisch grinst. „Ich hab’s gewusst. Slime Boy!“, ruft Zwezler und greift nach Eimer und Wischmopp. „Alle Achtung, Herr Inspektor. Sie haben mich gefunden. Ein stures Relikt aus einer anderen Zeit sind Sie. Nun gibt es kein Zurück mehr!“ Slime Boy wirbelt herum und verschießt eine ganze Batterie an Teeeiern, die er dem großen Registerschrank entnimmt. Zwezler kann sich im letzten Moment hinter ein Vintage-Rudergerät retten, während die Einschläge in das Metall donnern. Kling Kloing Ling Bing.

Plötzlich sieht Moik, wie Konrad wieder seine Strickjacke streichelt und sich erneut Murmeltiere herausschälen. „Das ist es also, so kann er sie kontrollieren“, bricht es aus ihm hervor, und er schleudert Unrat in Konrads Richtung. Schrump Tschedong. Konrad muss nun seinen Strickjacken-Duraschild aktivieren, an dem die Wurfgeschosse wie Tropfen abperlen. Doch verliert er hierdurch die Kontrolle über seine Heerschar an Murmeltieren, die nun orientierungslos im Raum umherirren. „Slime Boy, es ist vorbei“, ruft Zwezler, den Wischmopp wie eine Lanze haltend – zu spät! In dem Moment rutscht Moik auf der schleimigen Substanz aus und touchiert den Inspektor. Mit einem lauten Ruummms liegen beide am Boden.

Der Schleim kichert, wirbelt sich hoch, und Schllllllump erneut steht Slime Boy aka Kuna vor ihnen und versetzt den beiden Zack Bumm noch ein paar Kopfnüsse, dass diese sich ins Land der Träume verabschieden.
„Ich hab es schon länger geahnt, Kuna, dass du keine richtige Geschäftsführerin bist, aber Slime Boy … Der gefürchtetste Dreck auf den Straßen unserer Stadt – das hätte ich nie gedacht.“
„Ach, Konrad“, ruft Slime Boy, „oder soll ich lieber Woodchuck Man sagen? Hör auf, so entsetzt zu schauen. Meinst du, ich hab nicht bemerkt, wie du ständig deine Strickjacke an mir gerieben hast, damit deine Murmeltiere ein bisschen in meinem Schleim baden können? Komm, lass uns abhauen.