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MALMOE

Das höchste Glück auf Erden

Reicht es, eine feministische Blattlinie und Ansprüche an eine linke Bildpolitik auszubuchstabieren, die dann 20 Jahre „halten“? Wohl kaum!

Irgendwann vor 20 Jahren fand das allererste große Erweiterungsplenum von MALMOE statt. Und da gab es ein paar Jungs*, die danach nie wieder auftauchten, weil sie fälschlicherweise geglaubt hatten, bei der Gründung eines „Start-up-Anti-Falter“ mitzumachen. Wie sich aber herausstellte, verbarg sich hinter dem glamourösen Äußeren und den ganzen Kommerz-Plänen – wir hatten nämlich einen „Businessplan“, ich schwöre! – in Wirklichkeit ein linksradikales Medienprojekt. Und das bedeutet mehr als nur Credibility abgreifen für die Privatkarriere beim nächstbesten Hipster-Medium. Punkt eins beim großen Plenum war nämlich: Antisexismus und Feminismus als Grundlagen des gemeinsamen Wunsches nach (medialer) Veränderung.

20 Jahre, eine #metoo-Aktion später und mitten in einer Pandemie, die neue Sexismen (und Rassismen) produziert, passiert es noch immer, dass Schwerpunkte in der Konzeption keine Autor*innen „finden“ oder dass die Dringlichkeit einer diversen Autor*innenschaft erst in letzter Minute ernstgenommen wird. Und: dass es immer noch die „lästigen“ Feminist*innen sind, die darauf hinweisen müssen.

Die zweite Sache, die ich hier loswerden möchte, dreht sich um ein ebenso heiß umkämpftes Terrain in MALMOE, nämlich die Bildpolitik. Wie Vina Yun an dieser Stelle schon erzählt hat, haben wir vor der eigentlichen Null-Nummer vier „Clipboards“ (quasi kleine Wandzeitungen) produziert. Währenddessen gab‘s aber auch eine „Dummy“-Ausgabe. Dieser „Test-Dummy“ bestand aus echten Artikeln und Bildbeiträgen, die ins eigens entwickelte Layout gesetzt wurden – daran konnten wir erstmals sehen, ob das ganze Konzept aufging.

Die Bildredaktion hatte die Ansprüche an eine linke Bildpolitik ungefähr so formuliert: Das MALMOE-Tageszeitungsformat lässt Leser*innen erwarten, die Bilder darin wären Belege für die Inhalte der Texte, bestenfalls Illustrationen der Inhalte, und genau diese Erwartungen wollen wir enttäuschen und irritieren. Bilder sind bei uns eigenständige Beiträge zu Rubriken und Schwerpunkten. Sie bekommen niemals eine „erklärende“ Bildunterschrift, die den Kontext zurechtbiegt. Sie werden in den Redaktionssitzungen genauso geplant und besprochen wie Textbeiträge. Und es gibt mehrere eigene Bild-Kolumnen („Culture Jamming“ in „alltag“, „Abenteuer im Kopf“ in der damaligen Rubrik „funktionieren“, „Designed to Eaze Life“ im „Erlebnispark“, die „Seite 17“, die heute die „Seite 16“ ist u. a. m.).

Wir haben dann also den „Dummy“ besichtigt – und von dem Zeitpunkt an und für die kommenden Jahre mit „der Grafik“ gestritten, die sich „eingeschränkt“ fühlte, weil sie Bilder nicht bearbeiten, niemals unter Texte legen und nicht beschneiden durfte. Die Grafik spielte den Ball zurück an die Redaktion, denn die sollte gefälligst dafür sorgen, dass die Anzahl der Textbeiträge nicht ständig zunahm und sich die Texter*innen an die Zeichenvorgaben hielten. An diesem Gerangel um Platz hat sich, so höre ich, bis heute nichts geändert, obwohl die Bildredaktion neue Formen und Formate entwickelt hat, die sie – zumindest theoretisch – „pflegeleichter“ macht. Aber im Ernst: Liebe sie!

Um beide Geschichten zusammenzubringen: Die Bildbeiträge der ersten Zeit wurden zu 80 bis 90 Prozent von Frauen* gemacht, betreut von zwei Frauen*. Wenn dann alle Jahre wieder die Frage aufkam, wie MALMOE mehr Frauen* zur Mitarbeit motivieren könnte, lehnten wir von der Bildredaktion uns also gemütlich zurück. Weniger gemütlich war uns zumute, wenn die 80 bis 90 Prozent als Büßer*innen für alle anderen Lücken herhalten mussten.

Mich erinnert das alles an einen meiner Lieblings-Buchtitel: „Das höchste Glück auf Erden. Frauen in linken Organisationen“ (Buntbuch Verlag 1981). Und zum 20. Geburtstag wünsche ich mir, was Vina Yun und Beat schon gesagt haben, plus: MALMOE als alltagsbegleitende Maßnahme für Lesende UND Produzierende.

Sylvia Köchl war von 2000 bis 2010 Teil des MALMOE-Redaktionskollektivs, koordinierte die Rubrik „Regieren“ und bildete gemeinsam mit Tanja Kronberger die Bildredaktion. Heute Co-Autorin einer MALMOE-Kolumne und „E-Bankerin“ der MALMOE-Transaktionen, ein Erbe des Businessplans von vor 20 Jahren.