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MALMOE

Berlin-Kreuzberg in den 1980ern

Gerade für Linke bleibt Berlin ein Sehnsuchtsort. Immerhin war Berlin und besonders Kreuzberg eines der Zentren der Hausbesetzer*innen. Bereits 1981 gab es in Kreuzberg schätzungsweise zwischen 150 und 200 zeitweise besetzte Häuser. In ganz West-Berlin wurden etwa 100 Besetzungen legalisiert, die restlichen Häuser räumte die Polizei. Kreuzberg war in den 1980ern noch das zweitgrößte Flächensanierungsgebiet Europas! Ein Pilgerort für Punks zum Sehnsuchtsort verklärt. Das haben Zeit und Ort gemein. Denn auch die 1980er sind eine mit Melancholie verbundene Zeit, an die sich zahlreiche Erwartungen und Sehnsüchte knüpfen. Die Rede ist von der Stärke, die linke Bewegungen damals angeblich hatten. Doch mit der Romantisierung von Straßenkämpfen, Besetzungen und Militanz geraten deren Voraussetzungen aus dem Blick. Der historische Kontext wird ausgeblendet. Dieser ist jedoch entscheidend, um die Bedingungen der Möglichkeit von Besetzungen verstehen zu können.

Anfang der 1980er Jahre stellte die SPD mit Helmut Schmidt den Bundeskanzler, die erste Generation der RAF kam bereits 1977 im Gefängnis ums Leben und der Ölpreis ging kurzzeitig durch die Decke. Die letzte Preissteigerung dieses zentralen Rohstoffs für die Produktion lag nur wenige Jahre zurück und hatte einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit nach sich gezogen. Arbeiter*innen erkämpften damals die 40-Stunden-Woche in jeder Branche einzeln, was sich bis in die Mitte der 1980er zog. Die Reallöhne stagnierten seit Jahren, ebenso wie die Mitgliederzahlen des DGB. Die Staatsverschuldung der BRD hatte sich seit 1970 fast vervierfacht, die Zinsen taten ihr Übriges. Eine politisch-ökonomische Lösung der Probleme, gar eine, die über den Kapitalismus hinausweisen würde, konnte die regierende Sozialdemokratie nicht bieten. Von diesen Zeichen der Zeit war auch der Westberliner Arbeiter*innen Bezirk Kreuzberg geprägt. Die Betriebe wanderten ab und die Arbeitslosigkeit stieg. Es gab kaum Kindertagesstätten und Schulen, Parks oder Freizeiteinrichtungen in Kreuzberg. Bestehende Bausubstanz wurde aktiv zerstört, um neue Häuser bauen und die Wohnungen danach teurer vermieten zu können. An diesem Punkt intervenierte eine breite Bewegung von Besetzer*innen. Denn die Stadtpolitik war offensichtlich nicht in der Lage, oder hatte kein Interesse daran, gegen den gravierenden Leerstand und den Verfall von Häusern vorzugehen. So rüttelten die Besetzer*innen an einer Grundfeste der bürgerlichen Rechtsordnung – dem Privateigentum.

Die Ablehnung alles Bürgerlichen funktionierte dabei innerhalb der Bewegung als ideologischer Kitt. Ein/e Besetzer*in sagte damals im Interview, „dass eine ganze Menge Leute da sind, denen irgendwas stinkt, die keinen Bock drauf haben, wie das bürgerliche Leben funktioniert.“ Aber auch die restliche Bevölkerung in Kreuzberg sei den Anliegen und Aktionen der Besetzer*innen gegenüber sehr offen: „Das äußert sich auch darin, dass von den Fenstern Blumentöpfe auf die Bullen geschmissen werden, wenn die angreifen. Oder dass einfach Türen aufgehen und dich die Leute reinzerren und unter ihren Betten verstecken.“ Klar gab es auch Streit. Gerade wenn Alleinerziehende, die leistbaren Wohnraum für sich und ihre Kinder suchten, mit dem Suchtverhalten anderer Besetzer*innen konfrontiert waren. Aber das sind keine Probleme, die es nur in besetzten Häusern gibt. Das sind Probleme, die alle was angehen. Im Oktober 2020 wurde die Liebig 34 in Friedrichshain geräumt. Damit verliert Berlin einen wichtigen Ort für Anarchas und Queers. Was bleibt, sind Erzählungen, Geschichten, die Menschen miteinander teilen. Geschichten der Sehnsucht und Geschichten des Kampfes um Autonomie und Freiräume.