MALMOE

Schreiben für Geld

Norman Mailer über (un-)bezahltes Schriftstellertum

MALMOE: Herr Mailer, Sie haben einmal gesagt, wer schreibt, ohne Geld dafür zu bekommen, sei ein lächerliches und bemitleidenswertes Geschöpf.

Norman Mailer: Ach, ich war ein Arsch damals. Sehen Sie, ich bin mit 25 berühmt geworden. Mein Abschied vom Leben eines durchschnittlichen Menschen war sehr abrupt. Ich machte keine Erfahrung mehr, was es bedeutet in einem sinnlosen Job für einen Chef zu arbeiten, den man hasst. Diese trostlosen Erfahrungen fehlten mir und ich merkte, dass es nichts mehr zu schreiben für mich gab, als ich meine ersten 24 Jahre ausgebeutet hatte. Ich war prominent und innerlich leer. Also beschloss ich mein Leben neu zu starten. Ich musste etwas erleben, deswegen wurde ich Reporter und für diese Arbeit braucht man Geld, viel Geld. Journalismus ohne Bezahlung ist eine dieser schlechten Ideen, wie zum Beispiel einen Krieg zu beginnen um ein Problem zu lösen. (lacht)

Ihre Meinung von Journalist*innen war aber nie sonderlich hoch?

Ein Journalist ist jemand, der nicht talentiert genug ist, einen Roman zu schreiben, nicht intelligent genug, um Rechtsanwalt zu werden, und dessen Hände zu sehr zittern, um zu operieren. (lacht) Aber es geht nicht ohne sie. Als wir Mitte der Fünfziger [1955] die Village Voice gründeten, war das bald eine lukrative Sache. Die Leute wollte etwas lesen von diesem Amerika, das sich gerade zu ändern begann. Aber, warum fragen Sie überhaupt nach Geld und Journalismus?

Nun, heute ist es sehr schwierig geworden. Die meisten Menschen schreiben unentgeltlich. Zeitungen und Magazine können fast nichts mehr zahlen und der überwiegende Großteil der Texte erscheint mittlerweile in sozialen Medien, in denen es beinahe ausgeschlossen ist, dass die Autor*innen Geld für ihre Arbeit erhalten.

Ah, sie meinen dieses Internet-Ding? Das ist ein Unsinn. Hören Sie besser damit auf!

Ich wünschte, das wär’ möglich …

Ich sag Ihnen was. Ein Autor hat kein Leben und braucht auch keines. Er sitzt in seinem Zimmer und schreibt. Das ist alles. Der Tod lässt mich heute vieles klarer sehen. Es gibt Menschen, die können schreiben und die tun das dann auch, und die anderen lassen es besser bleiben. Wenn man dann etwas fertiggebracht hat – und kein Mann kommt näher an die Erfahrung des Gebärens, als der, der ein Buch geschrieben hat –, dann soll es dafür gefälligst eine Bezahlung geben. Alles andere ist doch Wahnsinn!

Werden wir uns merken. Danke für dieses Gespräch.

Die Zitate von Norman Mailer (1923–2007), der vom Gendern noch nix wusste, stammen aus dessen Werken Advertisements for Myself und Spooky Art: Thoughts on Writing. Die von Mailer mitgegründete New Yorker Wochenzeitschrift The Village Voice gab im August 2017 bekannt, ihre Printausgabe aus wirtschaftlichen Gründen einstellen zu müssen.