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MALMOE

Suche nach
Authentizität

Laut Brockhaus ist Tourismus ein „vorübergehender Ortswechsel von Personen“, der mindestens eine Nacht und maximal ein Jahr dauert. Unter diese Definition fällt vieles, vom Erholungsurlaub über Geschäftsreisen, Studienaufenthalte und so weiter. Das klassische Bild des Tourismus jedoch ist ein weißer Sandstrand, mäßig bepalmt unter einem wolkenlosen Himmel und vor allem eins – menschenleer. Diesem traumhaften Abbild einer Reise des modernen Menschen, der aus dem hektischen Smog alltäglicher Städte ausbricht eine höchstens zweisame Einsamkeit zu finden, steht das Wissen um die zyklische Höllenfahrt entgegen. Jahresurlaub, Massentourismus, Ölsardinen. Zwar war Tourismus bereits in seinen Anfängen im 18. Jahrhundert eine Suche nach bekanntem Unbekanntem – ferne Länder, exotische Früchte und freundliche Eingeborene oder halt Ruinen gucken in Italien, wie der alte Goethe. Doch stets an Privilegien gebunden. Der derzeit massenhafte „Wunsch nach dem Erleben fremder Menschen und Kulturen“ (Brockhaus) kulminierte in der „Vermarktung von Brauchtum und Landschaft“ (auch Brockhaus). Diese müssen Gemälde werden – angefertigt, ausgestellt, betrachtet, restauriert –, eben endlos. Durch diese zeitliche Abkopplung der Lebenswelt wird Authentizität zur zentralen Eigenschaft, um die der Tourismus kreist.

Angebote für authentischen Tourismus gibt es heute für alle Altersstufen. Ob der als Indianerdorf beworbene Holzspielplatz in einem nordwestdeutschen Center Parc naturgetreu mit Zigarettenstummeln und leeren Alkoholflaschen bestückt ist, die Teilnehmer*innen an dem experimentellen Archäologie-Projekt Guédelon ihre mittelalterliche Burg tatsächlich nur mit kratzenden Säcken bekleidet aufbauen oder Senior*innen bei „Cruise Retirement“ im Kreuzfahrtschiff die Sieben Weltmeere unsicher machen, statt ihre letzten Nächte auf Erden sediert im Bett zu verbringen; im Mittelpunkt steht Authentizität. Die Fragen allerdings, die die Konsument*innen solcher authentischer Angebote umtreiben, sind solche nach der Inszenierung. Genauer dem Grad der Inszeniertheit dessen, was höchst authentisch verpackt daherkommt. Untrüglicher Marker einer inszenierten Authentizität sind die Tourist*innen selbst. Sehen Tourist*innen andere Tourist*innen, schließen sie daraus auf die Inszeniertheit der Situation, in der sie sich befinden. Egal ob Bauernmarkt oder Tempelfest, Inauguration oder Clubnacht – alles wirkt inszeniert, wenn sich die Teilnehmer*innen dabei beobachten, wie sie und andere beobachten, ohne teilzunehmen. Und so weiter, ad infinitum. Der Hauptwiderspruch ist dabei jener zwischen Freizeit- und Arbeitswelt, denjenigen, die das Häusl anspeiben und denen, die es aufwischen. Dadurch entsteht ein äußerst nachhaltiger Konflikt zwischen eben jenen reisenden Rüpeln und den autochthonen Arbeitsbienchen. Ein Konflikt der, je nach Höhe des Wechselkurses, auch in einer Geiselnahme münden kann. Gefahr übrigens, ob nun Geiselnahme, Taschendiebstahl oder gleich der Cluburlaub im Kriegsgebiet, ist untrügliches Anzeichen höchst authentischer Situationen. Tourist*innen, deren 13. Gehalt hingegen nur für Barcelona reicht, müssen sich dagegen mit linken Möchtegern-Terrorist*innen begnügen. 1Barcelona: Vermummte attackierten Touristenbus“, Kurier, 30.07.2017 Deren vermummter Farbanschlag auf einen Touri-Bus stellte anno 2017 lediglich eine Aktion gegen Gentrifizierung dar. So bleibt der Traum vom schönen Leben, für uns doch nur ein frommer Wunsch.