MALMOE

Mateschitz’ Metapolitik

Red Bull hat sich ein immenses Verlagsimperium aufgebaut

Der WU-Absolvent Dietrich Mateschitz, geboren 1944 in der Obersteiermark, gilt nach dem Wirtschaftsmagazin Forbes als 37-reichste Person der Welt. Als Minderheiteneigentümer der Red Bull GmbH verkauft er jährlich mehr als sechs Milliarden Dosen seiner koffeinhaltigen Aufputschgetränke.

Personalisierte Kapitalismuskritik ist ein Widerspruch in sich, schließlich gibt es nur dort Profit und Akkumulation, wo die zugespitzten Abstraktionen Kapital und Arbeit aufeinandertreffen. Die Figur Dietrich Mateschitz wäre undenkbar, ohne einer willfährigen Klasse an LohnarbeiterInnen, die seine Dosen entwirft, produziert, abfüllt, transportiert und konsumiert, seine Logos auf der Kleidung trägt, die Stadien und Formel 1-Ringe von Red Bull bevölkert oder in der hauseigenen Baufirma Bull Bau die Ziegeln schupft. Die pauperisierte Masse weiß über die Einkommensunterschiede Bescheid, sie neidet Mateschitz jedoch seine Villa, sein Geld, seine Sammlung an Flugzeugen und seine Privatinsel samt U-Boot nicht, sondern bewundert ihn und kann keine andere Befreiung mehr imaginieren, als reich zu werden wie er.

Propagandamaschinerie

Damit das auch so bleibt, leistet sich Mateschitz eine verzweigte Propagandamaschinerie, die unter dem Dach des Red Bull Media House in allen Formaten und Medien funkt, strahlt und druckt.

Beginnen wir mit dem TV-Sender Servus TV, er bietet heimelige Tierdokus und Volksmusik bis in die frühen Morgenstunden. In der Primetime darf es mit verschiedenen Politformaten auch einmal deftiger sein. Da stänkert etwa der Salzburger Jurist und Journalist Ferdinand Wegscheider wöchentlich im Stile eines Richard „Staberl“ Nimmerrichters gegen Feministinnen und Gewerkschaften. Auch der Kärntner Journalist Michael Fleischhacker ist zurück. Nachdem er bei Standard und Presse abgedankt hatte und nzz.at erfolgreich unter der Aufmerksamkeitsschwelle gehalten hatte, fand er bei Mateschitz eine soziale Hängematte namens Addendum. Addendum produziert die Servus TV-Formate Im Kontext – Die Reportage und Talk im Hangar, wo diverse B-Promis in der Garage des Milliardärs politisieren dürfen. Nebenbei verlegt Addendum Bücher unter dem Namen Quo Vadis Veritas. Mit dem ersten Titel Kulturkampf im Klassenzimmer der politisch unverdächtigen Lehrerin Susanne Wiesinger gelangen ein veritabler Bestseller und ein diskursiver Erfolg. Halbjährlich sollen nun weitere „faktenbasierende“ Bücher folgen.

Der bekannteste Red Bull-Verlag bleibt jedoch Ecowin, seit 2013 ein Verlag des Red Bull Media House. Ecowin publiziert prominente Namen wie den Kinderbuchautor Thomas Brezina, oder Thomas Schäfer-Elmayer, bekannt als Zeremonienmeister bei Burschenschafterbällen in der Hofburg. Auch der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer oder der links-keynesianische Ökonom Stephan Schulmeister veröffentlichen beim Red Bull-Verlag.

Eine weitere Red Bull-Marke heißt Benevento, ein Verlag für ehemalige Karriereberater, Journalisten, Experten für Unternehmenskommunikation und sonstige Versager und im Red Bull-Stall für die Sparte Esoterik und Lebensratgeber zuständig. Verlagsziel ist augenscheinlich besonders primitive Buchcover zu entwerfen, mit mindestens zweizeiligen Untertiteln wie: „Was ich beim Angeln über das Leben gelernt habe“, „Geschichten vom Zauber des Neuen und der Magie des Alten“ oder „Wie Deutschland seine politische Mitte verliert – und wiedergewinnen kann“.

Auch verschiedenste Magazine sind Teil des Imperiums, etwa das Terra Mater Magazin, ein bebildertes Naturkundeheft, welches parallel zur entsprechenden Fernsehdoku-Serie Terra Mater auf Servus TV herausgegeben wird. ­Terra Mater Books liefert seit Oktober 2018 die entsprechend seichten Bücher aus demselben Genre, über die Fauna und Flora der Ozeane oder des Himalayas.

Andere Magazine heißen Red Bulletin, dessen Bildsprache in vielerlei Hinsicht fatal an die Propagandapostille der Wehrmacht Signal erinnert, Servus in Stadt & Land oder Bergwelten. Eines haben alle Produkte gemein: Der Marketingaufwand ist enorm. Servus Buch leistet sich in sämtlichen Postfilialen eigene Ständer für je nach Jahreszeit angepasste Titel wie „Singvögel in Österreich“, „Stille Nacht, Heilige Nacht“ oder „Most selber gemacht“. Das Marcel Hirscher-Sonderheft Heroes gibt’s in jeder Spar-Filiale.

Gesundheitsrisiken

Seit zehn Jahren ist ein massiver Aufstieg der Medienabteilungen von Red Bull zu verzeichnen, nicht alle Projekte sind jedoch von Erfolg gekrönt. Das Seitenblicke Magazin wurde sang- und klanglos eingestellt, und wer kennt schon den sechsten Red Bull-Verlag namens Pantauro? Dieser veröffentlichte seit 2014 circa 20 Bücher, etwa über die Errichtung eines Brunnens vor der Werkzentrale in Fuschl und über diverse historische Marketingevents, die sich ein Buch verdient haben. Pantauro produzierte auch den Kalender des Jahres 2018 für die Fans des Fußballvereins Red Bull Salzburg.

Ein besonders gruseliges Produkt ist der Wandkalender mit Abbildungen diverser Todesspringer und anderer Risikosportler aus dem Jahre 2016 um 50 Euro. Da fragt man sich: Arbeitet die Medien- und Marketingabteilung von Red Bull an einer Reform des Todeskults der christlichen Rechten? Diese betet ja traditionell den Tod an, entweder in Form des gekreuzigten Heilands an der Wand oder aber durch die Glorifizierung des soldatischen Sterbens am Schlachtfeld der Ehre für Volk und Vaterland. Bei Red Bull hingegen kreuzt der Held die Arme mit einem Wingsuit am Rücken, man stirbt heute für Klicks und Umsatzzahlen, nicht für die Sünden der Welt. Der Standard berichtete im Jänner 2018 unter dem Titel „Gefallen für Red Bull“ über neun Todesfälle bei verschiedenen hochriskanten Werbeevents des Getränkeherstellers in den letzten zehn Jahren. Diese modernen Märtyrer schmücken nun vielleicht als Kalenderboys die eine oder andere Wohnzimmerwand und haben so auch nach ihrem Tod noch einen ikonographischen Mehrwert – für Mateschitz. Für alle anderen bleibt Red Bull eher ungesund.