MALMOE

Fragen an den Kinderarzt

Hallo Onkel Doktor. Sagt das noch wer?

(Lacht) Nein. Zu mir jedenfalls nicht, aber ich bin jung und schaue auch nicht so onkelig aus. Vielleicht zu den Älteren? Ich weiß es nicht.

Wir sind jetzt zum dritten Mal hier. Ist das nicht furchtbar – man wird Kinderarzt oder Kinderärztin, um Kindern zu helfen, und dann sind die Kleinen immer ganz verzweifelt, wenn sie Sie sehen.

(Lacht) Ja, da musst du abstrahieren. Ich weiß ja, dass es gut ist. Aber die Angst kann ich ihnen trotzdem oft nicht nehmen. Und weh tut manches eben auch. Das kann man nicht schönreden.

Offiziell heißt das Sonderfach „Kinder- und Jugendheilkunde“ – ich sehe hier nur Kinder. Wo sind die Jugendlichen?

Also die meisten kommen zu uns aufgrund der vorgeschriebenen Untersuchungen für den Mutter-Kind-Pass und zum Impfen. Oder aber, wenn die Kinder akut krank sind. Die MuKi-Untersuchungen enden spätestens mit dem 62. Lebensmonat. Da sind die Kinder fünf. Die Impfungen werden später auch eher in der Schule durchgeführt. Über bleiben ab einem bestimmten Alter also nur mehr die Kinderarztbesuche aufgrund von akuter Krankheit. Und da geht man dann auch nicht mehr so oft zum Arzt wie bei den Kleinkindern, wo es noch so viele Unsicherheiten gibt. Oder es wird dann einfach der normale Hausarzt konsultiert. Ab einem bestimmten Alter brechen bei uns die Kinder also weg. In dem Sinne stimmt Ihre Beobachtung schon.

Apropos Mutter-Kind-Pass. Können Männer Kinder nicht zum Arzt oder zur Ärztin bringen?

Das klingt schon nach Mittelalter, stimmt. Gleichzeitig: In dem Pass werden ja auch die Untersuchungen der werdenden Mutter festgehalten – Ultraschall und die Anamnese der Frau, Vorerkrankungen und der Verlauf der Schwangerschaft, das Verhalten der Mutter auch, Rauchen zum Beispiel. Das ist für uns medizinisch später schon auch wichtig. Das Verhalten des Vaters während der Schwangerschaft ist halt eben nicht so wichtig, wenn man es eng betrachtet. Weiter betrachtet, auch was Unterstützung, das psychische Wohlergehen, Zufriedenheit betrifft, natürlich schon. Aber danach fragt der Mutter-Kind-Pass eben nicht. Das ist kurzsichtig, andererseits: Wo wäre die Grenze, wenn man sich das Kind, Gesundheit generell, in einem größeren Kontext ansehen würde?

Wenn man eine Kinderärztin/einen Kinderarzt sucht, ruft man schon mal ein Dutzend Ordinationen an – überall Aufnahmestopp beziehungsweise werden maximal Neugeborene neu aufgenommen. Wir hatten zum Beispiel Glück und haben nur mit einem Trick beim 13. Versuch dann trotz Aufnahmestopp einen Termin bekommen. Das kann doch nicht sein?

Welchen Trick? Das würde mich interessieren … Nein im Ernst: das ist ein großes Problem. Vor allem in manchen Bezirken. Simmering wird hier immer wieder genannt. Es gibt viel zu wenige Kinderärzt_innen mit Kassenvertrag (Anmerkung: 2017 waren es angeblich 83 Kassenärzt_innen und 109 Wahlärzt_innen). Das will sich irgendwie keiner antun. Ich verstehe das aber nicht – es gibt kaum einen dankbareren Beruf als meinen. Aber klar, ich kann leicht reden: Ich bin hier angestellt, es ist nicht meine Praxis. Ob ich die Verantwortung übernehmen würde, selbstständig eine Kassenpraxis zu leiten, das kann ich jetzt nicht sagen.

Aber was sollen die Menschen bitte tun – bei Wahlärzt_innen kostet jede Konsultation 100 bis 170 Euro, oder noch mehr. Einfach mal so. Und da kommen ja noch die Impfungen und so weiter dazu. Das ist doch Wahnsinn.

Das ist es. Dabei haben wir in der Ausbildungsordnung so eine schöne ethische Grundhaltung festgehalten, dass soziale Verhältnisse keine Rolle spielen dürfen und jedes Leben zu achten ist. Das ist schon auch widersprüchlich.