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MALMOE

Sprache als Waffe gegen Rechts

Die Autorin und Dramaturgin Gerhild Steinbuch spricht über kritische Kunst in Zeiten der Kurz-Strache-Regierung

Gerhild Steinbuch lebt und arbeitet in Berlin und Wien. Sie ist Mitbegründerin des Autor*innennetzwerks Nazis & Goldmund und Teil des Kollektivs Freundliche Mitte, welches im Februar die Multimediaperformance BERGEINS im brut zu Gast im Werk X-Eldorado inszenierte.

MALMOE: Euer Stück BERGEINS setzt sich mit dem Rechtsruck in Österreich auseinander und ist ein künstlerischer Einspruch gegen die hiesigen Zustände. Der Großteil der prominenten Kunst- und Kulturschaffenden verhält sich indes eher zurückhaltend. Wo bleibt der Protest?

Steinbuch: Mir kommt es auch so vor, dass die Proteste verhaltener sind als bei der ersten  Auflage von Schwarz-Blau. Diese Verhaltenheit ist mir ein großes Rätsel. Die Rhetorik der Regierung ist eine rechte. Und die FPÖ hat nicht-verschleierbare Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Ein Vorbild in Bezug auf eine klare Positionierung als Künstler*in ist Peter Waterhouse, der aus Protest seine Mitgliedschaft im Österreichischen Kunstsenat zurückgelegt hat. Abgesehen von ihm fallen mir nur wenige ein, die sich offen positioniert haben. Grundsätzlich sollten Künstler*innen aber auch nicht erst reagieren, wenn die Krise schon da ist.

Euer Kollektiv nennt sich Freundliche Mitte. Worauf spielt ihr damit an?

Die „freundliche Mitte“ ist jener Teil der Bevölkerung, der meint, nicht rechts zu sein, aber die jetzige Regierung gewählt hat. Gleichzeitig gibt sich die Rechte selbst als „freundliche Mitte“ aus: Denn sie gibt vor, die neue Normalität darzustellen, die eigentlich nicht rechts steht, sondern im Zentrum der Gesellschaft. Der Zuspruch durch die Wähler*innen bestätigt dies leider.

Gibt es auch eine unfreundliche Mitte?

Das wären wohl alle, die sich gegen die „freundliche Mitte“ stellen. Künstlerisch gesprochen wäre es der Versuch, die derzeit vorherrschende rechte Rhetorik, die durch Glanz und Glattheit den eigentlichen politischen Standpunkt zu verschleiern versucht, zu dekonstruieren.

Euer Name steht also für das, was ihr kritisiert und ihr persönlich seid wiederum der unfreundliche Teil der Mitte?

Genau. Aber wir sehen uns ebenfalls als Teil des Problems. Es ist wichtig, nicht nur in eine Richtung zu schimpfen, sondern zu schauen, wo man durch die eigene Konformität oder durch das Verbleiben in der eigenen Wohlfühlblase solche Verhältnisse, wie wir sie jetzt haben, mitverursacht hat.

Bei der Inszenierung von Bergeins stand ein Berg in der Mitte des Raumes. Was hat es damit auf sich?

Der Berg ist bei uns ausgehöhlt, womit wir ein Symbol für rechte Politik schaffen wollen. Denn so ist es ja meist bei den Rechten: Sie nehmen sich Symbole, rekontextualisieren sie und höhlen sie dadurch aus. Wir wollen den Berg neu befüllen. Sonst erschöpft sich aller Widerstand in einem Dagegen-sein, kann aber sonst keinen Inhalt vorweisen. Man müsste aber einen Schritt weitergehen und zu einem inhaltlichen Austausch kommen. Wenn wir das nicht tun, haben wir ein Problem, dem Ausschließenden eine substantiell andere Form der Gemeinschaft entgegenzustellen.

Gab es auch negative Reaktionen? In Österreich ist der Vorwurf der „Nestbeschmutzung“ ja schnell bei der Hand.

Natürlich gab es auch einige andere Reaktionen auf unser Projekt. Damit haben wir uns aber nicht viel beschäftigt. Grundsätzlich sind die Zeiten, wo solche Stücke einen großen Skandal bescheren, ja wahrscheinlich auch vorbei. Das Projekt und die dazugehörige Diskussionsveranstaltung waren für uns eher ein Versuch, eine Debatte über die rechte Normalität zu eröffnen. Und es war sehr interessant zu sehen, dass Leute mit unterschiedlichen Backgrounds miteinander zu reden beginnen und scheinbar ein großes Bedürfnis besteht, Allianzen oder sozusagen Banden zu bilden. Solche Gespräche zu initiieren, ist für mich ein ganz wichtiger Schritt. Gedanklich orientiere ich mich dabei ein wenig an solchen Projekten wie Schlingensiefs „Bitte liebt Österreich“ [Auch bekannt als Container-Aktion, Anm. d. Red.].

Die Diskussionsveranstaltung rief dazu auf, Banden zu bilden. Wie setzt ihr diesen Aufruf um?

Ich bin zum Beispiel Teil des Autor*innenkollektivs Nazis & Goldmund, was ja auch so eine Art Bande ist. Unser Ansatz ist, sich nicht nur in Performances oder Lesungen zu ergehen, sondern einen Gesprächsraum zu schaffen – Menschen zusammenbringen, sich inhaltlich mit der Neuen Rechten auseinandersetzen Der nächste Schritt wäre dann, Leute aus anderen Disziplinen dazu zu holen, um aus der Kunstblase herauszutreten.

Wie kann so eine „interdisziplinäre“ Zusammenarbeit in der Praxis aussehen?

Mir fällt dazu der Aufmarsch der Identitären in Berlin letztes Jahr ein: Es gab einen Zusammenschluss von Theaterschaffenden und Politleuten. Neben der „klassischen“ Demo, die die Route der Identitären blockiert hat, hat die „glänzende“ Demo der Initiative Die Vielen durch Berlin-Mitte geführt und stand für Vielfalt, für ein friedliches Miteinander. Es geht darum, gemeinsam Position zu beziehen, sich zusammenzuschließen – eben Banden zu bilden.

Nazis & Goldmund wendet sich mittels Poesie gegen Rechts. Wie genau soll das funktionieren?

Wir versuchen die Strukturen der Sprache der Rechten oder auch der vermeintlichen Mitte zu beschreiben, aufzuschlüsseln und spielerisch umzuformen. Die Rechte selbst hat es ja geschafft, ehemals linke Formeln und Symbole zu instrumentalisieren. Wir wiederum versuchen, eine Gegenbewegung zu machen und dabei nicht nur „deren“ Sprache zu dekonstruieren, sondern Begriffe auch wieder zurückzugewinnen. Auf unserem Blog erscheint aktuell einmal die Woche ein Beitrag. Momentan arbeiten wir uns vor allem am Regierungsprogramm ab.

Aber klappt das wirklich, sich die Begriffe von jenen zurückzuholen, die von über sechzig Prozent der Bevölkerung zum Regieren beauftragt worden sind?

Es ist nicht so relevant, ob es letztlich funktioniert, es geht mehr um das Aufzeigen davon, dass mit Sprache anders umgegangen werden kann. Gegenwärtig erfährt die Sprache eine ganz bestimmte Zurichtung. Sie ist wie eine Waffe, die gegen einen selbst gerichtet ist. Deshalb sollte sie schleunigst umgedreht werden. Ob dann der Schuss trifft, ist weniger wichtig, als der Kampf um die Änderung der Laufrichtung.

Gibt es einen konkreten Begriff, den du besonders gerne wieder von den Rechten zurückhaben möchtest?

Nein. Mir fällt eher auf, dass es generell eine bestimmte Art des Sprechens und des Schreibens ist, die sie sich zu eigen machen. Ich meine zum Beispiel die Gedanken eines Philosophen wie Antonio Gramsci. Oder so etwas wie situationistische Praktiken. Es ist also eher ein Zugriff auf eine Gesamtheit von linker Theorie, der Popkultur, der Theaterpraxis der 68er und so weiter.

Ihr wendet euch mit eurer Poesie gegen „die Vereinnahmung der Räume durch nationalistische Gedanken“, gegen „die Spaltung von Gesellschaften durch Kapital und Rassismus“, gegen den „demokratischen Verfall“. Formuliert ihr neben all dem Dagegen auch etwas Positives?

Wir bieten in erster Linie die Perspektive, die Sprache und somit die „Berichterstattung“ über die Gegenwart nicht kampflos den Rechten zu überlassen. Aber ansonsten ist es ja nun mal nicht so einfach mit den positiven Weltentwürfen. Uns geht es eher um die Beschreibung eines Auswegs, um die Eröffnung eines Möglichkeitsraumes. Dabei können gerade Momente des Schweigens positive Ansätze sein. Ein gemeinsames Schweigen drückt ja auch eine gemeinsame Stimme aus. Gerade weil rechte Politik meint, sich alles Mögliche zu eigen machen zu können und daneben mit neoliberalen Strategien operiert – wir sollen immer Leistung bringen, immer funktionieren –, wird ein Raum des Schweigens zu einem Raum des Widerstands.

Was sind sonst Kernelemente der Sprache rechter Politik?

Sie ist ein prinzipiell ein großes Ablenkungsmanöver. Im Grunde zitiert sie die Rhetorik des Nationalsozialismus, aber tut dies auf eine sehr geglättete Weise. Eigentlich wird NS-Jargon mit einer Art Werbesprache kombiniert und das erschafft eine Sprache, die extrem brutal ist – aber gleichzeitig ist diese Brutalität nicht greifbar. Das stellt eine neue Dimension rechter Rhetorik dar, die wahnsinnig gefährlich ist. Für mich als Autorin, also als Person, die tagtäglich mit Sprache arbeitet, ist sie aber auch interessant, oder sagen wir: herausfordernd.

Wie lässt sich die österreichische Politik auf der Bühne vermitteln, wenn sie sowieso schon als Real­satire wahrgenommen wird? Eine Überspitzung ist ja kaum noch möglich.

Ich frage mich tatsächlich, ob Schlingensiefs „Bitte liebt Österreich“ jetzt noch dieselben Reaktionen auslösen würde. Außerdem gibt es nur sehr wenige Leute, die so konsequent sind wie er. Was ich an seinen und auch an den Arbeiten von Elfriede Jelinek toll finde, ist ihre Radikalität und wie wahnsinnig schlau alles durchdacht ist. Schlingensief arbeitete dabei stets mit einem unplanbaren Moment. Und Jelinek hat nun mal eine sehr genaue Beobachtungsgabe, wobei sich die Arbeit auch immer gegen sie selbst richtet. So etwas muss man in die eigene Arbeit übertragen. Dann gelingt es hoffentlich zumindest in Ansätzen, eine ähnliche Radikalität zu entwickeln. Das wäre für mich der erste Schritt, die konkrete Ausformung des Projekts ergibt sich dann daraus. Aber es braucht grundsätzlich diese Konsequenz im Denken, die Selbstkritik nicht ausschließt. Ein Theaterabend, an dem alles schlau reflektiert und ironisiert wird, weil man selbst ohnehin über allem steht und dann war’s das, reproduziert letzten Endes die herrschende Rhetorik.

Welche Perspektiven siehst du für dich persönlich in Österreich?

Ich finde es wichtig, die Verantwortung, die man hat, wahrzunehmen und seine begrenzte Öffentlichkeit zu nutzen, um sich zu positionieren. Was für Konsequenzen das dann für meine Karriere haben kann, habe ich mir noch nie genau überlegt. Nur, weil die politischen Verhältnisse vielleicht etwas schwieriger werden, sollte man nicht seine Meinung verbergen oder an Haltung verlieren.

BERGEINS war am 7. Juni im Grazer Dom im Berg zu sehen sein. Vom 14. bis 17. Juni veranstaltet Nazis & Goldmund im Berliner Ballhaus Ost die Konferenz Ängst is now a Weltanschauung (weitere Infos: konferenz.nazisundgoldmund.net).