MALMOE

Überall links unten

Neue geheimnisvolle Fälle von Inspektor Zwezler und seinem Partner Moik

Blink. Blink. Blink. Inspektor Zwezler stierte auf den Cursor und hätte den Kollegen von der Cyberabwehr fast nach einer Zigarette gefragt. „Mein Lesezeichen kann ich wohl jetzt auch vergessen, oder?“

Moik trat hinzu und tröstete: „In ihrem Kommuniqué haben die von Indymedia aber geschrieben, dass man sie gar nicht abschalten kann. Also, die kommen schon wieder, wahrscheinlich mit noch mehr krimineller Energie und dann kann Herbert…“, und er nickte zu dem bebrillten Kollegen, der hinter dem katzenbuckligen Zwezler stand, „ja das Lesezeichen aktualisieren.“

Zwezler seufzte, richtete sich abrupt auf, dass der Bürosessel bedrohlich knarzte und knurrte zerknirscht: „Den brauch ich ja jetzt wohl nicht mehr!“ Er hämmerte auf den nächstgelegenen Knopf, hatte aber leider nur die Helligkeit des Monitors verstellt.

Der Inspektor sah ein ziemlich verzwicktes Dilemma. Logischerweise hatte sich vor ein paar Stunden die freudige Kunde, dass linksunten.indymedia endlich abgeschaltet worden war, in Windeseile in der Kantine verbreitet. Moik konnte es gar nicht fassen und trotz Kartoffelbrei im Mund platzte es aus ihm heraus: „Mein lieber Inspektor, können Sie sich erinnern: Uni brennt. Das Bekenntnis zur kriminellen Explosion, also eigentlich zum verbrecherischen Zündeln war ja auch auf linksunten.indymedia.“

Zwezler vollendete den Rautenschnitt auf seinem dampfenden Leberkäse und versetzte stolz: „Sie, mein lieber Kollege Moik, hatten diese brandheiße Spur gefunden, danach war eigentlich alles Routine und die Uni hat nicht mehr gebrannt. Friedhofsstille. Und heute haben Sie dann wirklich links unten vorbeigeschaut, obwohl dort ja alles mit der Gefahr per du ist.“

„Aber Herr Inspektor …“, und der Moik zwinkerte keck, „Sie kennen wohl den Clou der ganzen Sache nicht. Die Kollegen aus Deutschland haben sich auch jahrelang täuschen lassen, haben alles, was links ist, durchpflügt und dabei so manchem Splittergrüppchen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Doch da war dann noch das Unten …“

Moik erhob sich komischerweise genau in diesem Moment. „Diese linksextremen ,Ideologien‘“, Zwezler quittierte Moiks Gänsefüßchen mit einem Schmunzler, „wollen dann auch immer noch unten sein.“

„Oder für die da unten sprechen, wie neuerdings der Kern … oder der Strache. Der redet nun davon, dass er die unten für die oben einmal so richtig zurecht vertreten wird“, sagte der Zwezler plötzlich ganz ernst, seine Stirn lag schon in Falten. Der Moik rettete den Zwezler in letzter Sekunde vor dem Abdriften in die Wahlkampfkriminologistik. Denn jeder weiß, im Vergleich zu einem Nationalratswahlkampf ist eine Anti-G20-Demonstration eine Kinderjause. Doch irgendetwas musste dennoch passiert sein. Vielleicht hatte der Zwezler zu viel vom scharfen Senf erwischt, denn plötzlich röchelte er, ein leichter Wasserfilm auf seiner Stirn begann im Kantinenlicht zu glänzen und seine Blicke bekamen etwas Verwirrtes: „Moik, Moik, habe ich Ihnen schon davon erzählt, dass ich neulich eine APA-Aussendung in der Hand hielt und sie zunächst für ein Bekennerschreiben eines geistigen Egoshooters hielt? Mir war, als käme jedes Wort aus dem Satz geflogen wie eine Patrone aus einem Magazin. Doch dann erkannte ich, es war nur eine OTS vom Kickl. Manchmal, mein lieber Moik, werden mir diese ganzen Aussendungen und Schreiben einfach zu viel. Kein Mensch kennt sich da mehr aus. Wie schön war es, als die Verbrecher ihre Nachrichten mit aufgeklebten Buchstaben verschickten. Wenn man so einen Zettel in der Hand hielt, wusste man sofort, jetzt heißt‘s ermitteln. Aber heute?“

Der Moik reagierte abermals blitzschnell, schob dem Zwezler ein Stück Weißbrot zu: „Nehmen‘s ein Stück, Herr Inspektor. Das nimmt die Schärfe. Und schauen Sie, es ist ganz einfach. Wo glauben Sie, hatte dieser ,Verein‘“, wieder folgten die Gänsefüßchen, „seinen Sitz? Welcher Ort in Deutschland ist fast in der Schweiz und fast in Frankreich?“, fragte Moik triumphierend und setzte sich in freudiger Erwartung. Zwezler musste leider passen, Geographie war noch nie so seins gewesen. „Die Lösung war immer offensichtlich und gerade deshalb so gut versteckt“, zögerte Moik diesen großen Moment noch hinaus, „Freiburg!“

Man weiß nicht, ob es am Weißbrot oder an der Antwort lag, der Inspektor war nun jedenfalls wieder vollkommen auf der Höhe und nach einem kurzen und freudigen „Aber Hallo!“ begannen beide lange darüber zu sinnieren, welche Herausforderungen und Methoden aus dieser Erkenntnis erwachsen könnten. Plötzlich stürmte der Inspektor zur Kantinenschwingtür und rief über seine Schulter: „Moik, 13:15 Uhr vor meinem Computer, nimm Hubert mit!“

„Er heißt Herbert“, sagte Moik trocken, aber das hörte der Inspektor schon gar nicht mehr.

Und nun im grellen Licht des viel zu hellen Monitors erkannte der Moik natürlich schneller als Herbert, dass dem Zwezler trotz aller Freude über das Einfrieren des extremen Kommuniquéstroms etwas auf dem Herzen lag. Zunächst tätschelte er dem Inspektor beruhigend auf die Schulter, denn der Spuk von links.unten war ja zu Ende. Doch als er die Farbwerte wieder nach oben schob, verlor Moiks Gesicht mit jedem Klick an Farbe.

Voller Entsetzen starrten Moik, Zwezler und der Herbert auf den Bildschirm. Sie waren auf indymedia.org gelandet und in der linken Spalte stapelten sich die Städte und Länder, in denen es sich bereits ausgebreitet hatte, ins Unermessliche.

„Moik, Moik, schauen Sie …“, stotterte der Inspektor, „rufen Sie sofort Berlin. Dies ist ein terroristisches Netzwerk von gigantischem Ausmaß. Alarmieren Sie sofort alle Einsatzkräfte. Indymedia scheint nicht nur links unten, sondern überall zu sein.“