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MALMOE

Politik des Kulturellen

Ein neuer Band versammelt Rezeptionen der Schriften des britischen Cultural Studies Theoretikers Raymond Williams (1921–1988)

Roman Horak, Ingo Pohn-Lauggas und Monika Seidl wollen mit ihrem neuen Band Über Raymond Williams nicht bloß Williams’ Denken würdigen. Vor allem soll die Auseinandersetzung mit Williams’ Positionen und Schriften auch eine wissenschaftspolitische Intervention in einem Feld sein, das Kulturwissenschaften weniger als politisches Projekt versteht, denn als Disziplin, die ihrerseits den Logiken des „Sachzwangs“ heutiger Universitätslandschaften untersteht. Williams, dem in Gründungserzählungen der britischen Cultural Studies eine zentrale Rolle zukommt, befasste sich mit marxistischer und linker Theorie und Politik, Literatur, Erwachsenenbildung, dem Politischen der Kultur und Medien. „Kultur“ verstand Williams – und dies ist wahrscheinlich auch die meistzitierte Wendung aus seinen zahlreichen Schriften – als „a whole way of life“ und stellte damit den Cultural Studies einen Kulturbegriff zur Verfügung, der sich so ganz von seiner alltags- und wahlkampfsprachlichen Verwendung im deutschsprachigen Raum unterscheidet.

Nach einleitenden Beiträgen zu kulturtheoretischen Grundlagen in Williams Denken (Winfried Fluck, Lawrence Grossberg, John Higgins), beschäftigen sich vier Beiträge (Oliver Marchart, Ingo Pohn-Lauggas, Klaus Puhl, Wolfgang Karrer) mit einer theoretischen Verortung von Williams’ Begriffsverwendungen und Konzeptionen von „Hegemonie“, „Formation“, „Kulturellem Materialismus“ und „Gefühlsstrukturen“ / „structures of feelings“ und damit auch seiner Rezeption von, beziehungsweise seinen Anknüpfungspunkten an Schriften von Antonio Gramsci, Valentin N. Vološinov, Pierre Bourdieu und Edward Said.

Sind manche Beiträge mehr einer beschreibenden Aufarbeitung der theoretischen Schriften Raymond Williams gewidmet, versuchen andere, diese entweder in einem historisch-theoretischen Kontext zu verorten oder ihre aktuelle Relevanz zu diskutieren. Letzteres geschieht vor allem im großen Abschnitt zu Williams’ Beschäftigung mit Medien (Udo Göttlich, Carsten Winter, Georgiana Banita, Barbara Maly und Felix Bergmeister, Anette Pankratz, Marie Hologa und Cyprian Piskurek). Hier werden seine medientheoretischen Schriften und deren zentrale Konzepte („flow“, „mobile privatisation“) mit einer Analyse heutiger digitaler Medien konfrontiert und zeigen eine überraschende Weitsichtigkeit sowie scharfe Beobachtungen und Analysen der sich verändernden Medienkonstellationen und ihrer gesellschaftlichen und politischen Implikationen.

Die im Buch vorgenommenen Aktualisierungen der Thesen und Argumente von Raymond Williams erlauben weitergehend auch eine Historisierung aktueller Medienkonstellationen und damit eine Verortung „neuer“ Medien in einem Zusammenspiel politischer, kultureller, gesellschaftlicher und sozialer Machtverhältnisse und Verschiebungen im größeren Zeitraum des 20. Jahrhunderts.

Nicht zuletzt bemerkenswert ist, dass sich zwei Beiträge des Bandes (Ingrid von Rosenberg, H. Gustav Klaus) auch dem literarischen Schreiben widmen – Raymond Williams veröffentlichte sechs Romane.

Was sich die Rezensentin des in bildungspolitischer, wie medientheoretischer und gesellschaftskritischer Hinsicht äußerst lesenswerten Bandes noch gewünscht hätte: Einerseits einen umfangreicheren einleitenden Beitrag, der die verschiedenen im Buch versammelten Williams-Rezeptionen verortet und diskutiert und andererseits eine Navigationshilfe durch den dichten und mit vielen Bezügen gespickten Band, etwa in Form eines Index zu häufig besprochenen Konzepten und Schriften, um das Buch anhand der verschiedenen Analysen und Interpretationen von Begriffen querlesen zu können

Roman Horak, Ingo Pohn-Lauggas, Monika Seidl (Hg.): Über Raymond Williams. Annäherungen. Positionen. Ausblicke. Argument Verlag, Hamburg 2017