MALMOE

Mal wieder alles noch ­schlechter gemacht

Informationen zum neuen Versammlungsgesetz

Ende Mai ist eine neue Fassung des Versammlungsrechts in Kraft getreten. Diese Reform war seit Anfang 2017 Mittelpunkt einer kontrovers geführten Debatte: Innenminister Wolfgang Sobotka präsentierte eine Vielzahl höchst bedenklicher Reformvorschläge, Verfassungsrechtlerinnen und NGOs zeigten sich größtenteils empört angesichts des autoritären und undurchdachten Charakters der Vorschläge. Wie so oft einigte sich die Regierung in Folge dessen auf einen Teilbereich der zuvor hinausposaunten Vorschläge, die übrigen Forderungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt auf einer „Enquete“ besprochen werden. Ende April wurde der Vorschlag der Regierung schließlich im Nationalrat beschlossen. Im Folgenden werden die Neuerungen der Novelle erklärt und kommentiert.

I. Erhöhung der Anmeldefrist (§ 2 Abs 1 VslG)

Wer eine Versammlung bei der Behörde anmelden wollte, musste dies bisher bis spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versammlung bei der zuständigen Behörde anzeigen. Diese Frist wurde nun auf 48 Stunden erhöht. Als Grund wird angeführt, dass es den Behörden ansonsten nicht möglich sei, sich angemessen auf die Versammlung vorzubereiten. Warum genau die 24 Stunden als Vorbereitungszeit nicht ausreichend waren, wurde nicht argumentiert. Die Erläuterungen enthalten weder Ausführungen darüber, welche Probleme sich aus der alten Rechtslage ergeben haben, noch Erklärungen dazu, wie die 48-stündige Frist die Situation verbessern könnte.

II. Erweiterung der Untersagungsgründe

In § 6 Abs 2 VersG wird ein neuer Grund für die Untersagung von Versammlungen geschaffen. Schon bisher bot die Formulierung der Untersagungsgründe einen weiten Spielraum, den die Behörden auch ausgiebig nutzten. Untersagt werden sollen künftig: Versammlungen, die der politischen Betätigung von Drittstaatsangehörigen dienen und außerdem den „anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich“ zuwiderlaufen. Was konkret damit gemeint ist, kann nur erahnt werden. Zu befürchten ist, dass die Versammlungsbehörden die Begriffe sehr weit auslegen und beispielsweise Proteste von Geflüchteten oder kurdischen Gruppen verhindern werden. Da Drittstaatsangehörige nach der geltenden Rechtslage selbst keine Versammlungen anmelden dürfen, hat diese Regelung notgedrungen auch Konsequenzen für Österreicherinnen und andere EU-Bürgerinnen, sofern die von ihnen angemeldeten Demos aus Sicht der Versammlungsbehörden der „politischen Betätigung von Drittstaatsangehörigen“ dienen. Fraglich ist auch, anhand welcher Kriterien die Versammlungsbehörden festmachen, wann dies der Fall ist bzw. wann „außenpolitische Interessen“ beeinträchtigt werden.

III. Teilnahme von Vertre­ter­innen ausländischer Staaten

Bisher waren der Behörde 1) Zweck, 2) Ort und 3) Zeit einer Versammlung anzuzeigen. Nun muss auch die beabsichtigte Teilnahme von Vertreterinnen ausländischer Staaten, internationalen Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt werden. Zudem muss in einem solchen Fall, die Anzeige bereits eine Woche vor der Versammlung vorgenommen werden. Diese Bestimmung hat laut dem Antrag das Ziel, ausländische Staatsvertreterinnen zu „schützen“. Zu diesem Zweck soll die Frist auch auf eine Woche verlängert werden.

Bedenkt man, dass der aktuelle Entwurf auch einen neuen Untersagungsgrund für Versammlungen einführt, die der politischen Betätigung von Drittstaatsangehörigen dienen, (siehe II) macht es eher den Eindruck, als wäre das Ziel der längeren Anmeldefrist, solche Versammlungen leichter untersagen zu können.

IV. „Schutzzonen“

Nach der neuen Rechtslage hat die Versammlungsbehörde einen Schutzbereich von 50 bis 150m rund um eine Versammlung festzusetzen. Innerhalb dieses Bereiches, dürfen zur gleichen Zeit keine anderen Versammlungen stattfinden. Nach den Erläuterungen soll es sich dabei um Demonstrationen mit „entgegengesetzten Interessen“ handeln, aus dem Gesetzestext selbst geht dies aber nicht hervor. Zwar wurden schon bisher Gegendemos wegen der räumlichen Nähe untersagt, die Fixierung einer „Schutzzone“ erschwert jedoch auch jene Versammlungen, die bisher mit geringerem Abstand zueinander stattgefunden haben sowie das Anmelden von Gegendemos und Blockadepunkten durch Aktivist*innen.

Auch die nunmehr beschlossenen Reformvorschläge sind sehr bedenklich. Dass nicht alle zuvor geäußerten autoritären Phantasien sofort in die Tat umgesetzt wurden, bedeutet weder, dass die aktuelle Novelle akzeptabel ist, noch, dass die übrigen Pläne gänzlich vom Tisch sind. Die Reform des Versammlungsgesetzes reiht sich vielmehr in eine Reihe autoritärer und repressiver Bestrebungen (bspw im Fremdenrecht, bei sozialer Absicherung, Strafrecht, Sicherheitspolizeirecht und im Bereich des Staatsschutzes) ein, die von der Regierung in den letzten Monaten im Eiltempo durchgeboxt wurden. Bemerkenswert ist auch, dass der Novelle keine realen Entwicklungen vorangegangen sind, die die Novelle zumindest als logischen Schritt der Regierung erscheinen hätte lassen. Ausdruck davon ist beispielsweise auch die große Aufmerksamkeit, die der „Udo-Jürgens-Parade“ aus dem Jahr 2014 im öffentlichen Diskurs zu Teil wurde, in dem sie immer und immer wieder als Beispiel einer nicht schützenswerten Spaßveranstaltung herangezogen wurde. Trotz der nicht allzu großen Änderungen der Rechtslage bleibt die Reform Teil einer beunruhigenden Entwicklung der österreichischen Innenpolitik. Zu befürchten ist, dass es zunehmend schwieriger wird, emanzipatorische oder auch nur regierungskritische Proteste zu organisieren, und das insbesondere für sogenannte „Drittstaatsangehörige“.