MALMOE

Fragen an den Urlaub

Heiß begehrt und wild erstritten. Manchen zu lang, den anderen zu kurz, manchen verwehrt und oft mit Arbeit verbracht. Fragen an einen, der bei vielen gerade vor der Tür steht.

Puh. Es ist heiß. Herr Urlaub, was tun Sie eigentlich gegen die Hitze?

Nun, ich selbst stehe dem Thema Hitze eher neutral gegenüber. Die meisten meiner Klient_innen allerdings scheinen eher hitzeaffin zu sein, schließlich werde ich von 58,7 % zwischen April und Juli verbraucht und von 35,7 % allein in Italien und Kroatien am Meer verbracht. Was die 16 %, die nach Deutschland fahren, genau treiben, ist mir weitgehend unerschlossen. Aber die meisten bleiben hier auch nur eine Nacht! Apropos Italien: In den goldenen 70ern waren es noch knappe 40 %, die in Lignano, Jesolo und Bibione den Strand mit Wiener Flair erfüllten.

Gab es damals auch schon fünf Wochen Urlaub?

Nein, dass es mich fünf Wochen im Jahr gibt ist erst seit 1986 im Sinne eines gesetzlichen Mindesturlaubes Realität – das entsprechende Gesetz wurde 1983 beschlossen.

Wie kann es historisch dazu, dass es Sie gibt?

Ich bin ein Produkt sozialer Kämpfe – lange wurde um mich gerungen und auch heute bin ich nicht unumstritten! Freie Tage gab es jedenfalls in Europa historisch immer mal wieder – aber entweder sie waren ein Akt des „guten Willens“ oder sie waren zur Religionsausübung da. Aber Recht auf Freizeit, Erholung und Kontemplation, das gab es lange nicht. Und auch heute sehen mich viele einfach nur als Aufladestation, wo Lohnarbeitende ihre Batterien aufladen können um dann wieder effizient und produktiv drauf los arbeiten zu können.

Mit der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es besonders schlimm – Menschen mussten so gut wie die ganze Zeit arbeiten. Gleichzeitig haben sich ArbeiterInnen auch zu organisieren begonnen, Gewerkschaften wurden gegründet und die Forderung nach mir wurde laut. Nach dem zweiten Weltkrieg dann wurde erst eine Woche gewerkschaftlich erkämpft, dann zwei, drei … und heute eben fünf. Die Entwicklung ist, hoffe ich, aber noch nicht abgeschlossen!

Sind Sie käuflich?

(Wird rot und wütend) NEIN! Niemals! Ich bin unbezahlbar und ein unantastbares Recht. Mich kann man in Geld nicht abgelten. Es ist sogar per Gesetz verboten, auf mich zu verzichten oder mich in bare Münze umzuwandeln.

Wenn Sie so ein unantastbares Recht sind – warum haben dann manche Menschen trotzdem keinen Urlaub?

Nun, das kann verschiedene Gründe haben: Manche haben zwar formal Urlaub, aber sie hören im Urlaub nicht auf zu arbeiten. Weil sie von Arbeitgeber_innen unter Druck gesetzt werden oder selbst glauben, dass sie das machen müssen oder wollen. Andere haben mich deshalb nicht, weil sie in keinem Anstellungsverhältnis sind – weil sie zum Beispiel illegalisiert, selbständig oder in freien Dienstverträgen arbeiten. Manche suchen sich das so aus, viele haben aber gar keine Wahl. Und dann gibt es auch Menschen, die keine Arbeit haben und deshalb auch keinen Urlaub. Das finde ich besonders blöd – denn auf meine Vorzüge sollte niemand verzichten müssen!

Ihr Name, was bedeutet der eigentlich? Ur-Laub?

Das kommt vom mittelhochdeutschen urloup – wortwörtlich heißt das etwas wie Erlaubnis. Und um Erlaubnis haben die Ritter bitten müssen, wenn sie sich mal vom Chef entfernen wollten.

Und woher kommt es, dass die Schulferien so lange sind?

Nun ja, diese Geschichte hat mit „Urlaub“ eigentlich wenig zu tun – Kinder wurden deshalb im Sommer schulfrei gestellt, weil sie auf den Feldern arbeiten mussten. Der Sommer ist eine arbeitsintensive Zeit in der Landwirtschaft – und damit Bauern und Bäuerinnen ihren Nachwuchs überhaupt zur Schule schicken konnten, musst ihre Arbeitskraft über den Sommer gewährt bleiben. „Urlaub am Bauernhof“ schaut da heute natürlich anders aus.

Aktuell wurde wieder diskutiert, dass die Schulferien, die ja neun Wochen lang sind, gekürzt werden sollten …

Ich möchte ja nicht eingebildet klingen, aber ich finde mich selbst schon ziemlich toll. In dem Sinne würde ich den Spieß gerne umdrehen und fragen: warum nicht allen mehr von mir geben?

Danke für das Gespräch und gute Erholung!