MALMOE

Fragen an den Nasenbohrer

Einst verpönt, nun dazu verpflichtet. Würdest du sagen, aktuell findet eine Trendwende beim gesellschaftlichen Umgang mit dem Nasebohren statt?

Endlich erfährt Anerkennung, was ohnehin die meisten tun. Die Forschung geht davon aus, dass um die 90 Prozent zugeben, regelmäßig Nase zu bohren. Betonung auf Zugeben! Da kommen noch jene dazu, die es nicht sagen wollen, weil sie sich dafür schämen. Man kann also davon ausgehen, dass quasi alle es tun. Warum das Einführen des Fingers in die Nase bisher einer solchen sozialen Ächtung unterlag, ist mir ein Rätsel. Aber klar, seit den sogenannten Nasenbohrer-Tests kommt es hier zu einer Verbesserung meines Status. Jede Schülerin, jeder Schüler muss es nun ein- bis zweimal pro Woche hochoffiziell tun, es gibt die Wohnzimmertests und auch die Antigentests in den Teststraßen kann man noch mit Phantasie als Variante des Nasenbohrens begreifen. Wiewohl ein derart tiefes Eindringen in die Nase mit dem Finger natürlich nicht möglich wäre. Ob dieser Sinneswandel langfristig anhält oder ich Post-Corona ob des aktuell ständigen In-der-Nase-Rumfummeln-Lassen-Müssens als Reflex nicht noch stärker tabuisiert werde, bleibt die Frage.

Woher kommt diese soziale Ächtung und was tust du dagegen?

Ich würde sagen, das hat mit einem generellen Ekel vor Körperflüssigkeiten zu tun. Hier in MALMOE gab es bis vor kurzem meine Lieblingskolumne, die „Fabelhafte Welt der Körpersäfte“ (Anm. der Redaktion: die Kolumne gab es in den Ausgaben 78 bis 92), die ein ähnliches Ziel verfolgte wie meine Kampagne „Love your sekret, not Victoria‘s secret“, eine Aufklärung und ein offener, (selbst-)liebender Umgang mit unseren Körpern und allem, was dazu gehört. Und unsere Körper sind eben nicht nur „clean“ und „trocken“, auch wenn wir mit Make-up jedes Glänzen und jede Unebenheit des Gesichts zu vertuschen suchen, auch wenn Deo suggerieren soll, als ob wir nicht schwitzen würden, auch wenn der patriarchal-sexistische Skandal, Mädchen einreden zu wollen, ihre Regelblutung sei etwas „Unreines“, weiterhin vorherrscht. Dagegen setze ich mich ein durch exzessives Nasebohren und Rotzessen. Jede und Jeder kann hier mitmachen: Einfach in der Öffentlichkeit tun, was ihr sonst nur im Privaten macht.

Aber fördert Nasebohren nicht tatsächlich Krankheiten?

Wieso? Ich säubere meine Nase – kein Mensch kann mir einreden, verhärteter Rotz wäre mit Schnäuzen zu entfernen, und esse dann, was sowieso in meinem Rachen landet und heruntergeschluckt wird.

Aber auf der Nasenschleimhaut befinden sich unzählige potentielle Krankheitserreger, die dann auf dem Finger sind und an andere weitergegeben werden können?

Gut, das stimmt. Aber regelmäßiges Händewaschen ist sowieso keine Schande – auch in Nicht-Corona-Zeiten. Außerdem bitte ich zu bedenken, dass bis vor einem Jahr das Niesen in die Handflächen praktiziert wurde, und das als normales, hygienekonformes Verhalten galt. Und was bitte ist die Viruslast eines Niesers auf meiner Hand im Vergleich zu dem bisschen Rotz an meinem Finger?

Ääääh, ja. Danke für das Gespräch.