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MALMOE

Mein genialer Feind

Gestörtes Störendes #15

Viele meiner Freund_innen und Bekannten haben begeistert Meine geniale Freundin von Elena Ferrante gelesen. Ich bin bei Belletristik zugegebenermaßen schwierig, aber das hat – dachte ich – nichts mit der Autor*innenschaft zu tun bzw. damit, dass es eine von einer Frau* geschriebene Frauen*geschichte ist. Banana Yoshimoto, Ursula Le Guin, Charlotte Roche, Marge Piercy, Marlene Streeruwitz, Maria Sveland, Siri Hustvedt u. a. m. sind Autorinnen, die ich sehr gern gelesen habe bzw. lese. Bei der genialen Freundin jedoch war ich von Anfang an desinteressiert. Es wurde uns dann die Verfilmung des ersten Buches als Serie geborgt, aber auch darauf hatte ich keine Lust. Wir haben sie dann natürlich trotzdem geschaut und sie war auch sehr gut. Das änderte nichts daran, dass mein Widerstand bestehen blieb. Ich hatte nie Lust, die nächste Folge zu schauen, ganz im Gegenteil zog sich auf emotionaler Ebene von Anfang bis Ende ein Unbehagen durch. Ich fand sie hervorragend umgesetzt und gespielt und trotzdem hatte ich einen Widerwillen, mich zu den Freundinnen zu gesellen, in ihre Zeit, ihre Räume.

Dieser Widerwille beschäftigte, irritierte mich. Ich kam zu folgendem Schluss: Es handelt sich hier um eine total „weibliche“ Geschichte. (Ich kann, wie gesagt, nur für die Verfilmung des ersten Buches sprechen.) Es geht um den Weg zweier Mädchen, um ihre Beziehung, ihre Perspektiven. Männer kommen zwar vor, sind aber nie Hauptfiguren. Die Subjektivität dieser Mädchen steht im Zentrum und ihre Beziehung zueinander. Es geht um ihre Unterwerfung unter die Gesetze der männlichen Herrschaft, um ihre Ein- und Unterordnung. Die Männer stehen nicht im Zentrum, sie sind nicht der Ankerpunkt, sondern Nebenfiguren bzw. Teil des Hintergrundbildes, der Kulisse. Da diese Kulisse das Patriarchat ist, ist sie ziemlich hässlich. Die meisten Männer benehmen sich auch hässlich. Sie sind eine ständige offene oder unterschwellige Bedrohung. Das war mein Hauptgefühl beim Schauen: ständige Bedrohung. (Jetzt, beim Schreiben, erinnere ich mich noch an Boys don’t cry, da war es vielleicht ähnlich, aber das ist schon lange her, da war ich noch woanders und die Erinnerung ist verblasst.) K. hingegen war begeistert und fand, die Serie sei sehr nahe am Buch. Für sie schien diese Perspektive „normal“, nicht bemerkenswert. Für mich war sie scheinbar bis dato abstrakt geblieben. Die Bedrohung der männlichen Herrschaft für Mädchen, Frauen und alle, die weiblich gelesen werden, war für mich so spürbar wie noch nie. In ihrem Alltag, in ihren Banalitäten und Kleinigkeiten. Gleichzeitig gab es keine positive männliche Figur. Es gab niemanden, der „die Männer“ in einem (ausreichend) positiven Bild dastehen hätte lassen können. Ich fordere das hier nicht, nicht dass wir uns missverstehen, und ich finde den Schluss, zu dem mich meine (Selbst-)Analyse geführt hat, ziemlich ernüchternd. Denn scheinbar geht es darum, dass ich das Bild gerne etwas mehr weichgezeichnet gehabt hätte, nach dem Motto: „Ja, ist zwar schlimm, aber …“ Ich hätte anscheinend gerne eine Figur gehabt, mit der ich mich positiv identifizieren kann. Stattdessen hatte ich nur die Option, eine Figur von der Seite der Unterdrücker zu wählen, die schlagen, herabwürdigen, Kompetenz absprechen, übergriffig sind, lächerlich machen, beherrschen wollen usw. Die ganze Soße, die Mädchen und Frauen zur Genüge kennen. Ich kannte sie auch, aber halt abstrakt, theoretisch. Was diese Serie bei mir ausgelöst hat, war, es zu spüren. Und das war unangenehm. Es ist meiner Meinung nach zentral, dass Männer* in diesen Spiegel schauen, dass ich hineinschaue. Dass ich sehe, was es heißt, sich als Frau*/Mädchen* zu bewegen, Entscheidungen zu treffen usw. Es sind völlig unterschiedliche Positionen in der Welt. Es ist ein völlig anderer Zugang zur Welt. Ich dachte, weil ich es anders mache, bin ich nicht Teil dieser Welt männlicher Privilegien bzw. nutze ich sie nicht, „beschmutze“ mich sozusagen nicht, gehöre zu „den Guten“. Insofern bin ich wohl angesichts der „genialen Freundin“ enttäuscht über die Selbsterkenntnis, dass das „patriarchale Erbe“ Teil von mir ist, ich es nicht verleugnen kann. Trotzdem bin ich weit davon entfernt, hier ein Plädoyer für eine „positive Männlichkeit“ oder „männliche Identität“ zu halten. Mein Zugang zu Identität ist ein negativer – ich muss mich zwar mit ihr herumschlagen, weil die Welt so funktioniert, Teil meiner Utopie ist sie aber nicht. Sie ist so gesehen mein genialer Feind.