MALMOE

Identität als Weltbezug

Gestörtes Störendes #6

Vor kurzem hielt ich einen Vortrag zur Kritik des Identitätsbegriffs und einen zum Konzept der toxischen Männlichkeit. Diese Themen verbindet das Identitätskonzept. In den diversen Theorien zu diesem Begriff, gleich ob sie monolithisch oder fragmentiert angelegt sind, geht es letztlich um die Eliminierung von Widersprüchen durch Identitätsarbeit, also die Integration eventuell disparater Elemente in ein kohärentes Ganzes. Identität meint ja das Gleich-Sein mit sich und Elementen der äußeren Welt („Identifizierung“). Damit Identität funktioniert, braucht es allerdings das Nicht-Identische, von dem es sich abzugrenzen gilt. Identität ist nichts rein Persönliches sondern ein Weltverhältnis. Wir leben in einer Welt, die der Identitätslogik folgt, in der alles eingeteilt werden muss, zu dieser oder jener Seite zugeschlagen, von etwas anderem getrennt bzw. abgespalten. Identität ist somit auch ein Herrschaftsprinzip, das im Kontext von Patriarchat und Kapitalismus gesehen werden muss. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno haben in der Dialektik der Aufklärung anhand der Erzählung über Odysseus versucht, dieses mit sich selbst identische männliche Subjekt als prototypisch für die Moderne nachzuzeichnen – samt seiner Mission, alles dem Ziel der Beherrschung und Beherrschbarkeit zu unterwerfen: das eigene Selbst, andere und die Natur. Wir müssen in dieser Welt unser Leben führen und können uns der Verortung und Einteilung von Identitätsdynamiken nicht entziehen, egal ob es um die Beantragung eines Reisepasses, unser Begehren eines/einer anderen oder darum begehrt zu werden geht. Was wir jedoch tun können, ist, diese Verhältnisse theoretisch zu begreifen und uns bewusst zu ihnen zu verhalten. Positionen, die sich einem Wir verpflichten und zwangsläufig diverse Ihr ausschließen, bewegen sich innerhalb dieser Logik. Damit meine ich Positionen, die (oft implizit) von einem So-Sein ausgehen, von einer Art wahrer Innerlichkeit. Das ist das Versprechen von Identität: Gleich, welche Widersprüche von außen auf Dich einstürmen, ich kann Dich heil machen, Deine Spaltungen aufheben, Dich einen. In dieser Welt können Identitätspolitiken strategischen Sinn ergeben und sich und andere handlungsfähig machen. Das Versprechen von Identität zu glauben und sie zur Wahrheit über sich zu machen reproduziert aber das Bestehende. Nicht Andere, sondern die Bedingungen, die uns dieses Denken, Fühlen und Wahrnehmen aufdrängen sind in den Blick zu nehmen. Von da aus mögen sich mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen zeigen.