MALMOE

Voilà: Ein Königreich!

Unterwegs mit der rumänischen Königsfamilie

Der Regisseur Johannes Holzhausen untersucht in seinem neuen Film The Royal Train die Etablierungsversuche des rumänischen Königshauses. Höhepunkt stellt dabei die Fahrt des Königspaares, bestehend aus Margareta und Radu von Rumänien, mit dem royalen Zug dar. Mittels der Reise durch ein Land, auf das sie keinerlei Anspruch haben, versuchen sie, für die eigene Sache zu werben. Rote Teppiche werden ausgerollt, Fahnen geschwungen, Schuhe geputzt und Reden gehalten. Wie inszeniert sich Macht, die keine ist? MALMOE hat sich mit Johannes Holzhausen zum Interview getroffen.

MALMOE: Wie bist du auf die Idee gekommen, dass es interessant sein könnte, einen Film über die Selbstinszenierung der rumänischen Königsfamilie zu machen? Es gibt wohl wenig Verstaubteres als monarchistische Rituale. Was hat dich daran interessiert, was wolltest du herausfinden?

Johannes Holzhausen: Da gibt es mehrere Antworten darauf. Einerseits muss ein Unternehmen, wie es diese Königsfamilie ist, Energie aufwenden um die Behauptung aufzustellen, sie sei wichtig. Das ist schon mal interessant. Welche Strategien stehen dahinter? Und damit verbindet sich ja noch etwas, das wir in dem Film sehen: Wie wird Macht inszeniert, die tatsächlich gar nicht vorhanden ist? Ein spannendes Phänomen, das ich sichtbar machen kann, weil es so handgestrickt abläuft. Weil Personal und Geld fehlen, fehlt auch der Glanz, den Königshäuser sonst ausstrahlen.

Der Apparat ist zu klein.

Genau. Der Apparat ist zu klein. Da geht ihnen einfach oft die Puste aus. Deswegen ist es dann oft Prinz Radu der sagt, wie es richtig gemacht wird. Es gibt keine Profis, die ihm sagen, wie ein richtiger Fernsehauftritt funktioniert oder wie er sich am besten verhält, wenn er von mir gefilmt wird. Da beginnt das Handgestrickte. Es ist de facto ein Privatunternehmen. Aber das Tolle ist ja, dass es ein Privatunternehmen ist, das permanent verschleiert, dass es ein Privatunternehmen ist. Die ganze Inszenierung hat den Zweck, eine Staatlichkeit zu assoziieren. Das Publikum soll den Eindruck haben, dass es etwas Staatstragendes miterlebt. Dadurch kann ich wie bei einer schlechten Theateraufführung beobachten, wie die Mechanik funktioniert. Ich werde nicht geblendet, es lenkt mich nichts ab. Das kommt auch meinem Beruf zu Gute, da ich nicht über Text, sondern über Bilder erzähle. Es ist im Grunde sehr filmisch.

Du meinst also, die Art und Weise, wie die königliche Familie sich inszeniert ist sehr filmisch?

Ja, weil sich immer etwas zeigt. Nehmen wir als Beispiel die Art und Weise, wie Hoflieferanten ihr Diplom bekommen, die aufgeblasene Art, wie das passiert. Die Königshymne wird gespielt, aber eben nur aus einer blechern klingenden Konserve. Das kann ich sichtbar machen durch die Wahl des Kamerastandpunktes, im Schnitt, diesen Kern kann ich rauskitzeln. Ich kann es als Inszenierung sichtbar machen. Es bleibt das Gefühl übrig, dass hier ein Theaterstück aufgeführt wird, dem ein Fundament fehlt.

Als ich deinen Film gesehen habe, habe ich mich gefragt, was sich Margareta und Radu tatsächlich von ihren Bemühungen erhoffen, was ist ihr Ziel? Im Film kommt heraus, dass sie nicht bewundert werden, sondern inspirieren wollen und irgendwie scheint es darum zu gehen, an vergangene Werte zu erinnern, die es heute so nicht mehr gibt. Es bleibt sehr vage, trotzdem betreiben sie so einen Aufwand.

Die Werte, das ist sozusagen ihr Alleinstellungsmerkmal. Die Politik in Rumänien ist tatsächlich sehr korrupt, sie wollen sich davon abgrenzen und sie sagen, dass sie da nicht dazugehören, sich anderen Werten verpflichtet fühlen und in anderen Zeitdimensionen denken. Was sie tatsächlich wollen, kann ich nur aus ihrem Tun schließen und ihr Tun läuft darauf hinaus, in irgendeiner Form die Monarchie wieder einzuführen, was sonst. Über ihre Lippen kommt aber nicht mehr als: „Wenn das rumänische Volk uns fragt, sind wir bereit.“ Voilà. Das kann man in viele Stufen zerlegen und abmildern, die abgemilderte Form ist die, dass sie eine Institutionalisierung wünschen. Institutionalisierung hieße die Erlassung eines Gesetzes, durch das sie als eine für den Staat wichtige Institution anerkannt werden, dass Kosten übernommen und der Haushalt finanziert werden und möglicherweise das Königspaar den Staat im Ausland vertreten kann. Wobei das schon fast zu viel ist, weil sie damit in Konflikt mit der Verfassung gerieten, die sagt „Wir sind eine Republik und wählen einen Präsidenten“. Er repräsentiert den Staat. Also das ist eine heikle Sache, die sie umschiffen müssen.

Was sagt die rumänische Regierung dazu?

Die Ironie der Geschichte ist, dass es von Seiten der Politik am ehesten die Postkommunisten sind, die die Königsfamilie unterstützten.

Obwohl es die postkommunistische Regierung war, die damals Margaretas Vater, Mihai I, nicht einreisen hat lassen?

Das stimmt, aber das waren die 1990er Jahre. In den 1990ern wurde Mihai tatsächlich die Einreise verwehrt, als sie aber bemerkt haben, dass er politisch nicht mehr gefährlich ist, wurde ihm erlaubt, zurückzukommen. Es ist ja ganz simpel, auch Politiker lassen sich gerne im vermeintlichen Glanz des Königshauses sehen. Sie kommen gerne zu Einladungen, weil das ein bisschen Fernsehzeit bringt. Sie sind präsent. Im Gegenzug geben sie Margareta und Radu Raum für Versprechungen, es entsteht ein Dunstkreis, eine Unschärfe, die bis zum Parlament reicht. Und dann kündigt Liviu Dragnea, die graue Eminenz der postkommunistischen Partei, Margareta, als sie eine Rede im Parlament hält, mit dem Titel „Hüterin der Krone“ an. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Der Titel ist selbst gebastelt.

Der Titel ist eine Eigenerfindung von Mihai I. Königin wäre zu viel des Guten. Aber „Hüterin der Krone“ hält den Anspruch in diesem Graubereich wieder aufrecht. Und dann wird Margareta im Parlament, einer staatlichen Institution, mit einem Titel angesprochen, den sie selbst erfunden hat.

Wie bekannt ist die Königsfamilie denn tatsächlich? Im Film gab es Momente in denen ich nicht sicher war, ob alle Rumän*innen sie kennen.

Von ihr gehört haben alle in Rumänien. Jeder assoziiert etwas mit ihr. Im urbanen Umfeld hat die Königsfamilie keinen großen Support, die Menschen in den Städten denken eher, dass das anachronistische Veranstaltungen sind, sie haben andere Sorgen. Aber je weiter man sich von der Hauptstadt entfernt, dest mehr Dörfer, die gottverlassen sind gibt es: Lehmstraßen, Schulen, die nur aus einem Klassenzimmer bestehen, die medizinische Versorgung ist zum Vergessen, das ist wirklich am Rand der Welt. Und wenn dort jemand plötzlich mit der Aura einer Kronprinzessin auftaucht, dann wertet es diesen Ort einfach auf.

Das bringt ein bisschen Glamour.

Es bringt ein bisschen Glamour und es ist noch simpler. Für so ein Dorf gilt plötzlich: „Hallo, wir werden bemerkt!“ Es waren ja noch nie Politiker in diesen Nestern.

Und dann kommen sie mit diesem riesigen Zug und machen einen Auftritt.

Auch bei der Buchpräsentation (Anm.: Präsentation eines Buches über Prinzessin Margareta), die im Film vorkommt, ist es eine ähnliche Situation. Plötzlich hat die Bevölkerung im Dorf oder der Kleinstadt das Gefühl, dass sich jemand für sie interessiert. Und da fahren sie mit allem auf, was sie zur Verfügung haben. Sie donnern sich auf, es werden Opern gesungen, das Ganze ist wie ein großer Festakt organisiert.

Und sie bringen ja nicht irgendein Buch mit, sondern ein Buch über die Prinzessin von Rumänien, die eine Identifikationsfigur darstellt. So wird vielleicht auch ein Gefühl von Zugehörigkeit und Größe hergestellt. Menschen in den abgelegensten Dörfern wird vermittelt, dass auch sie Teil dieses rumänischen Staates sind.

Und Margareta erzählt immer wieder, dass ihr schon immer etwas gefehlt habe und dass sie erst komplett sei, seit sie in Rumänien lebt. Sprich: Sie ist in der Schweiz aufgewachsen und erst mit der Revolution nach Rumänien gekommen. Sie hat erst als Erwachsene rumänisch gelernt.

Das finde ich einen interessanten Punkt, weil mein Gefühl war, dass in deinem Film die Frage nach nationaler Identität eine große Rolle spielt und vor allem die Brüchigkeit der Idee einer einheitlichen, nationalen Identität. Rumänisch ist nicht die Muttersprache von Margareta, sie ist im Exil in der Schweiz aufgewachsen und hat Englisch gesprochen. Die einfache Vorstellung, dass eine Prinzessin einen Staat repräsentiert auf Basis einer Ursprünglichkeit oder Verbundenheit mit dem jeweiligen Land, das funktioniert hier an allen Ecken und Enden nicht.

Margareta hat eine interessante Biographie. Sie hat bei der UNO gearbeitet, war dann in Rom, in Rumänien kam die Revolution und ihr Vater hat sie gebeten hinzufahren und zu erzählen, wie es dort zugeht. Als ich sie nach ihren inneren Motiven gefragt habe, meinte sie, sie fand es so ungerecht, dass die Erinnerung an ihren Vater und ihre Familie durch die kommunistische Regierung vollkommen gelöscht wurde.

Mit dem Verbot, Bücher über die königliche Familie zu besitzen, beispielsweise.

Zum Beispiel, genau. Und so ist eine Generation herangewachsen, die nichts von der Königsfamilie wusste. Margaretas Vater war der letzte König, er war das Staatsoberhaupt und wurde ins Exil gejagt, das müssten die Menschen wissen, ihrer Meinung nach.

Ich meine, es gibt eine sehr aufschlussreiche Szene in dem Film: Die Leninstatuen werden eingeschmolzen und die von Ferdinand I (Anm.: König Großrumäniens und Großvater von Mihai I) werden aufgestellt. Es scheint ja auch darum zu gehen, die Wahrnehmung der eigenen Geschichte in eine bestimmte Richtung zu manipulieren, vielleicht aber auch um eine Form postkommunistischer Identitätssuche. Wobei es weniger eine Suche ist, als eine Festschreibung, fast eine Form von Rache: Die kommunistische Diktatur hat gesagt, wir müssen den König vergessen und jetzt sagt das Königshaus, ok, wir müssen die Kommunist*innen vergessen. Jetzt gehen wir zurück und stellen Ferdinand I auf. Interessant ist auch, dass die Statue in der Republik Moldau aufgestellt wird, das nicht zu Rumänien gehört, aber Teil von Großrumänien war. Das fand ich auch zur Frage nationaler Identität interessant, es geht um eine rumänische Minderheit in Moldau und nicht um das heutige Rumänien in den Grenzen, die es momentan hat. Das ist ja wieder eine Brüchigkeit in eine andere Richtung.

Das stimmt völlig, aber wir reden über einen Landstrich, der so an der Peripherie Europas liegt, dass sich kaum jemand dafür interessiert. Dabei ist es gerade die Peripherie, wo so viel passiert ist, Blutiges passiert ist, ganze Landstriche vernichtet wurden. Da ist Geschichte noch eine offene Wunde. Ich muss es ein bisschen pathetisch sagen, es ist eben das Ringen um: „Na, war vielleicht doch die Zeit unterm König besser oder war es der Kommunismus?“ Das sind Kräfte, die versuchen, Geschichte so zu deuten, wie es ihnen in den Kram passt, aber das ist ein Prozess, der nicht abgeschlossen ist. Und es ist nun einmal so, dass in der Republik Moldau die eine Hälfte der Bevölkerung rumänisch und die andere russisch spricht. Das wird von den Rumänen völlig ausgeblendet. Und da finde ich auch die Rolle des Königshauses bedenklich. Denn dort hinzufahren in scheinbar staatlicher Funktion signalisiert, dass das immer noch ein Teil des alten Großrumäniens sei, unerlöstes Gebiet sei, das irgendwann mal wieder rumänisch werden wird. Da zündelt man mit viel Feuer.

Vielen Dank für das Gespräch!