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MALMOE

„Oh, du unendliches Patriarchat“

Menschenverachtende Frauenpolitik und reaktionäre Männerpolitik
der Regierung – zwei Seiten einer Medaille

Schwarz-Blau II (SBII) macht bei ihrer reaktionären Frauenpolitik ungehemmt weiter und schließt damit direkt an die politischen Bestrebungen von SBI an. Was diese Rezentralisierung einer patriarchal organisierten Familienpolitik auch mit einer symbolischen Männerpolitik zu tun hat und wie ein Widerstand aussehen kann, soll in diesem Artikel angerissen werden.

Jüngste Beispiele reaktionärer Frauenpolitik

Die Liste jener politischen Veränderungen, die direkt die Abhängigkeit von Frauen in patriarchalen Familienstrukturen verstärken, wird monatlich länger: Politiken, die nur in Ansätzen für eine Gleichstellung sorgen sollen, werden unverblümt beschnitten oder gänzlich abgeschafft; progressiv-feministische Akteur_innen und Projekte in der Zivilgesellschaft sind von Kürzungen und anderen Benachteiligungen betroffen. Auch wenn die Palette der Angriffe viel besprochen und gut dokumentiert ist, sollen hier drei Säulen von Änderungen unter bestimmten Gesichtspunkten aufgegriffen werden:

(1) ‚Klassenkampf von oben‘: Umfangreiche Streichungen und Verschiebungen von sozialen Leistungen treffen besonders stark Frauen. Die implementierten Politiken sind Angriffe auf die Freiheit und Unabhängigkeit von Frauen. Hier sind insbesondere Alleinerziehende und ökonomisch Benachteiligte massiv betroffen, da sie wie kaum eine andere Gruppe auf diese Leistungen existenziell angewiesen sind.

Ähnlich sind die Einschränkungen der Zugänge zum Familienbonus zu sehen, bei dem nur einer bestimmte gesellschaftliche Gruppe von Gutverdienenden die gänzliche Leistungsvergütung zugesprochen wird. Dabei haben 10  % der Bevölkerung überhaupt keinen, 15 % nur einen sehr geringen Anspruch. Diese Änderungen auf struktureller Ebene produzieren eine unterschiedliche Wertigkeit von Menschen. Die Regierung macht keinen Hehl daraus, dass es sich um eine Entlastung der „Leistungsträger unserer Gesellschaft“ (FPÖ) handelt. Mit anderen Worten: Bessergestellte werden für ihre Privilegien belohnt.

Die Verschiebungen treffen, sowohl unter den Ärmeren als auch unter den Reicheren, auf unterschiedliche Weise besonders Frauen. Die Abhängigkeit, in familiären Partnerschaften leben zu müssen, wird bei jenen, die weniger verdienen, enorm erhöht und jene, die Anspruch auf den Familienbonus haben, haben ihn natürlich nur als Familie. Zynischerweise wird der Bonus dem Hauptverdienenden in der Familie überwiesen, in den überwiegenden Fällen (75  %) ist das – Surprise! – der Mann. Dass sich über diese Politik die Dunkelziffern von Missbrauchsfällen im engsten Familienumfeld stark erhöhen werden und Frauen eher in missbräuchlichen Beziehungen bleiben, weil sie ökonomisch keine andere Wahl haben zu überleben, ist abzusehen.

(2) Kürzungen beim Gewaltschutz, bei Opfer-, sowie bei Täterarbeit. Dabei wird die Diskussion des Themas zutiefst rassistisch geführt, die Rhetorik ist, dass patriarchale Gewalt ein neues, ‚eingewandertes‘ Problem sei. Eine blanke Lüge: In neun von zehn Fällen stehen die Opfer dem Täter nahe, die amtierende Regierung hält aber an ihrem rassistischen Unsinn unverblümt fest. Auch wenn es schwer ist, Kürzungen und gesellschaftliche Entwicklungen auf politischer Ebene genau zu benennen, ist in den letzten Monaten ein enormer Anstieg von brutalsten Gewaltverbrechen an Frauen von Männern aus dem engsten familiären Umfeld zu vermerken. Die Kürzungen im Bereich des Opferschutzes und der Täterarbeit gefährden die Sicherheit von Frauen weiter.

(3) Angriffe auf eine unabhängige Wissensproduktion. Die jüngsten Attacken auf die Statistik Austria mit dem Ziel des ‚Auf-Linie-Bringens‘ jener Institution, die bekanntlich durch Datenerhebungen gewisse Aussagen über die Beschaffenheit des Staates zulässt, ist auch ein Angriff auf den Rechtsstaat selbst. Hier sei besonders die Zeitverwendungsstudie erwähnt, die über minutiös geführte Tagebücher ermittelt, wer in der Familie wie viel Zeit, für welche Aktivitäten aufwendet. Diese Erhebung macht die unbezahlte, unsichtbar-gemachte reproduktive Arbeit, die in den meisten Fällen von Frauen geleistet wird, sichtbar. Es sind, wie aus der Erhebung 2008/09 hervorgeht, zu zwei Drittel Frauen, die jene unbezahlte Arbeit leisten und es ist anzunehmen, dass sich jener Gap unter FPÖVP zuspitzen wird. In Anschluss an die Studie wurde bis jetzt kein Auftrag zur Erhebung einer neuen Forschung bei der Statistik eingereicht – auch wenn Ressourcen dafür da wären. Auch wenn Institutionen wie die Statistik Austria unbedingt kritisch zu betrachten sind, so ist ein Abbau der Unabhängigkeit und eine stärkere Eingliederung unter das Bundeskanzleramt ein weiterer Versuch der Regierung, Macht zu zentrieren, um damit ihre Herrschaft zu zementieren.

Ebenso drastisch sind die schon oft genannten Kürzungen von 169.000 Euro im Bereich der progressiven-feministischen Arbeit, die besonders MAIZ, an.schläge, frauenhetz, Verein Autonome Frauenhäuser und andere Organisationen und Vereine in ganz Österreich treffen (siehe ausführlich MALMOE  84). Neben der extrem wichtigen Arbeit für Frauen, die diese Vereine unter ohnehin schon prekärsten Bedingungen leisten, seien hier besonders die Effekte auf die Produktion von hegemoniefeindlichem Wissen hervorgehoben. Es ist das über Jahrzehnte akkumulierte kritische Wissen über die rassistische und sexistische Gegenwart Österreichs, das hier versucht wird zum Schweigen zu bringen.

Diese breite Spanne an Angriffen, die in Windeseile in einer Regierungszeit von gerade mal einem Jahr erfolgte, soll die über Jahrzehnte erkämpften Errungenschaften feministischer Struggles zunichtemachen.

Revival des klassischen Patriarchats

Die beabsichtigte extreme Rezentrierung eines patriarchalen Familienmodells durchzieht das aktuelle Regierungsprogramm – vollendet in der Ehe, in der dem Mann die Herrschaft und Kontrolle der weiblichen Sexualität sowie des weiblichen Körpers und ihrer Arbeitskraft zugesprochen wird.

So schockierend diese Politiken auch sein mögen, überraschend sind sie nicht. Die ausbuchstabierten und von der FPÖVP produzierten Differenzen zwischen Frau und Mann finden sich seit der Angelobung im Regierungsprogramm, in dem es heißt: „Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden.“ Wie grotesk die Rechtfertigung einer menschenfeindlichen Politik mit dem Verweis auf die Würde des Menschen ist, lässt sich nicht wirklich in Worte fassen. Die immanente Queerfeindlichkeit von SBII ist hierbei nochmal ein ganz eigenes Thema.

Bei der Umsetzung und Etablierung von Politiken bedient sich FPÖVP einem breiten Wissen an Erfahrungen, die unter Schwarz-Blau I gemacht wurden. SBI stellt so etwas wie ein Versuchslabor für SBII da. Was damals noch auf breiten Widerstand stieß, soll jetzt perfektionierter und flüssiger Einzug in die nationale Politik erhalten. Diesmal wird das Frauenministerium von einer Frau geführt (wow), die jedoch auf der politischen Landschaft schlicht unsichtbar ist und es wurde eine Notfallnummer für Frauen vorgestellt, die es allerdings schon seit mehr als 20 Jahren gibt. Auch das Frauenvolksbegehren, immerhin knapp 500.000 Mal unterschrieben, scheint ihr relativ wurscht bis lästig zu sein – so hat die Regierung öffentlich bekundet, es nicht unterschreiben zu wollen. Ganz anders sah das unter SBI aus, als Herbert Haupt, ‚Alter Herr‘ seiner Burschenschaft, die Position des Frauenministers besetzte und kurzerhand am 8. März eine Männerabteilung ins Leben rief. Diese Abteilung, die lange maßgeblich von Johannes Berchtold – der sich als „konsequenter Feminist“ sieht – geformt und ausgebaut wurde, beschäftigt sich mit ultra-traditioneller und reaktionärer Geschlechterpolitik. So wird sich dort etwa mit der psychischen Belastung von Männern nach Scheidungen befasst. Jene Abteilung hat 2005 die DVD Was Männer bewegt – Österreichs erste DVD zum Thema Männer herausgegeben. So wichtig das Thema an sich ist, so verstörend wird es von der Männerabteilung aufgegriffen.

Beharrlich werden traditionelle Männer- und Frauenbilder und ihre natürliche Symbiose in Form von der Familie heraufbeschworen. Während die frauenverachtende Politik mit der extremen Abhängigkeit unter traditionellen Familienkonstellationen die eine Seite der politischen Veränderungen ist, so ist die rhetorische Fokussierung auf ‚Männerpolitik‘ die andere Seite derselben Medaille.

Rechte Männerpolitik unter SBII

„Dieser Monat war eine extreme Entschleunigung für mich, wo ich eine enge Verbindung zu meinem Sohn aufbauen konnte. Da entstehen völlig neue Wertigkeiten“, sprach Heinz-Christian Strache Anfang des Jahres in einem Interview. Rechte Politiker wie der Vizekanzler, die gerne gegen ‚Gender-Wahn‘ wüten, Gender-Studies „akademisch äußerst fraglich“ finden und nicht in der Lage sind, Wörter mit Binnen-I sinnerfassend zu lesen, sind sich in Wahrheit sehr bewusst darüber, wie mit Gender und Geschlecht politisiert werden kann. Daher ist es nicht überraschend, dass sich die FPÖ brennend für Männerpolitik interessiert. Herbert Haupt war und ist dabei, wie bereits erwähnt, nur die Spitze des Eisbergs.  

Immerhin sind die Mehrheit ihrer Wähler_innen Männer (2017 wählten knapp 29  % der Männer FPÖ, während dies nur 22  % der Frauen taten). Es ist also auch kein Wunder, dass Strache ‚seinen‘ Papa-Monat (welcher von FPÖ & ÖVP bis zu dieser Regierungsperiode stets boykottiert wurde) im Februar geschickt zu inszenieren wusste – auf einem Skiurlaub. Denn was könnte verlockender für Männer klingen, als ein bezahlter freier Monat samt Entschleunigung und kompletter Ausblendung reproduktiver Arbeiten? Wie absurd Straches Bemerkungen von 2008 sind, als er bei einer Klubklausur in der Steiermark behauptete, Männer müssten nach der Scheidung in der Gruft leben, während Frauen mit der Yacht herumfahren würden. Was für ein ungeheurer Zynismus, dass die aktuelle schwarz-blaue Regierung durch ihre chauvinistischen Politiken insbesondere das Armutsrisiko für beispielsweise alleinerziehende Frauen steigert.

Und wem gefällt diese Mischung aus Misogynie und eigner Opferinszenierung? Richtig, insbesondere jungen (weißen) Männern (die FPÖ wurde 2017 von 30  % der unter 29-jährigen Männer gewählt) – vom Patriarchat zur Privilegienblindheit erzogen, im Internet auf 4chan, von Trump, Martin Sellner & Co antifeministisch frauenfeindlich radikalisiert.  

Dabei ist diese Männerbewegung eine klare Gegenbewegung zum Feminismus und die Politiken sollen jene zornigen jungen Männer ‚abholen‘, die um ihre Privilegien fürchten. Dabei ist von Anfang an klar, dass es sich beim Papamonat um eine Politik handelt, bei der es, wie Strache sagt, darum geht „meiner Frau und unserem Kind zur Seite stehen“. Aber nicht darum, Verantwortung zu übernehmen, denn: „Erziehung bleibt Frauensache“. Besonders auffällig ist dabei die Medienwirksamkeit, die Strache ausgelöst hat und wie darüber die menschenverachtenden Politiken der Regierung mit Meldungen über Papi Strache ganz schnell vergessen gemacht werden.

Die Situation ist bedrohlich – was kann getan werden?

Wichtig ist, dass wir selbst nicht abstumpfen und uns ein kritisches Reflexionsvermögen bewahren. Deswegen gilt es, kritische und wachsame Medien zu unterstützen. Wie in dem Artikel angerissen wurde, ist es zentral, dass jede politische Maßnahme genau angeschaut und ihre mögliche Wirkung für menschenverachtenden Politiken sichtbar gemacht wird. Es sind keine einfachen Zeiten und die Auswirkungen von politischen Veränderungen werden sich in ihrem vollen Umfang erst langsam in der Gesellschaft bemerkbar machen. Deshalb ist es umso wichtiger, breite Bündnisse zu bilden, gemeinsam für Alternativen zu mobilisieren, weiter auf Demos zu gehen, laut zu bleiben und jeden Tag aufs Neue den Verhältnissen den Kampf anzusagen.