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  "Ich befreie mich aus dem braunen Sumpf" (1)

aus dem Diskursiv: Widerstand Tag XYZ

Von Jörg Haider, der 1991 im Kärntner Landtag tönte: „Im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht“ bis zu Herbert Kickl, der 2018 Flüchtlinge „konzentriert“ an einem Ort halten will, gibt es ein ständiges Changieren des parteiförmigen Rechtsextremismus mit sprachlichen Versatzstücken des Nationalsozialismus. Denn es gibt kein Freiheitliches, kein Völkisches ohne Antisemitismus.(2) Der Versuch Haiders, nicht zuletzt nach dem Tod seines Vaters (2004), dieses völkische Element, das auch ein burschenschaftliches Kennzeichen ist, an den Rand der Partei zu drängen, führte zur Abspaltung und Gründung des BZÖ, denn in den Reihen der Freiheitlichen war dafür keine Mehrheit zu bekommen. 1998 wurde das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft aus dem Freiheitlichen Parteiprogramm gestrichen, 2011 unter Federführung Norbert Hofers wieder aufgenommen. 2014 musste Andreas Mölzer (3) wegen eines Vergleichs der EU mit dem Dritten Reich und dem Ausdruck „Negerkonglomerat“ als FPÖ-Spitzenkandidat für die Europa-Wahlen zurücktreten. 2018 gehört er – unkommentiert und vielfach u. a. im ORF als Experte interviewt – der Koordinierungsgruppe der Kommission zur historischen Aufarbeitung der Burschenschaften an. Außerdem zeigt die ausbleibende Einordnung des Jus-und-JVPSkandals (ÖH-Wahl 2017), in dem antisemitische und sexistische Beiträge in Facebook- und Whatsapp-Gruppen gepostet wurden, wie wenig auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Verlass ist, wenn es eine rechte Regierung und eine denkbar schwache Opposition gibt.

Die rechtspopulistisch erfolgreiche FPÖ (26% Nationalratswahl 2017) hat eine Agenda, ebenso die nun türkis gewendete ÖVP (31,5%). Die Verteilung der Ministerien beweist: Antiislamischer Rassismus und konstitutiver Antisemitismus helfen das neoliberale Umbauprojekt voranzutreiben. Die EU-Osterweiterung (2004) beendete nicht nur die Nachkriegsordnung des Kalten Krieges, sondern brachte auch den antifaschistischen Konsens innerhalb der (Wirtschafts-) Union gehörig ins Wanken. Parteien wie Jobbik in Ungarn, die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen, die Goldene Morgenröte in Griechenland und nicht zuletzt die Fidesz Viktor Orbáns, deren Plakatkampagne gegen George Soros unverkennbar antisemitische Züge trägt, oder der wiedergewählte Präsident Tschechiens, Miloš Zeman, der mit dem Slogan „Stoppt die Migranten – stoppt Drahoš. Dieses Land gehört uns!“ warb und den Milliardär Andrej Babiš als Chef einer Minderheitsregierung bestätigte – das ist das gegenwärtige partnerschaftliche Spektrum der türkis-blauen Regierung in Österreich. Von EU-Sanktionen konnte diesmal also keine Rede sein, vielmehr gratulierte man artig den Wahlsiegern und Kurz macht Macron und Merkl wohl erstmal klar, dass hierorts noch viel nachzuholen sei in Sachen Sozialabbau und Lohndumping, der dreisten Umverteilung von Arm nach Reich, der Schwächung von Arbeitnehmer*innen in Kammern und Sozialversicherungen. 2000 hatten nicht nur Sozialdemokrat*innen das Gefühl von einer Witzfigur, Wolfgang Schüssel, oder seinem Mastermind, Andreas Khol, betrogen worden zu sein, denn die drittstärkste Partei stellte nunmehr den Kanzler. In dieser Stimmung versammelten sich 300.000 Menschen am 19. Februar am Ballhausplatz und die EU bestimmte einen Weisenrat, der letztlich einen positiven Bericht verfasste, aber dessen Aufgabenstellung heute unwirklich erscheint, denn geprüft werden sollte die „Verpflichtung der österreichischen Regierung gegenüber den europäischen Werten, vor allem hinsichtlich Minderheiten, Flüchtlingen und ImmigrantInnen sowie die Entwicklung der politischen Natur der FPÖ“.(4)

Der Widerstand gegen Schwarz-Blau war schon in Zeiten vor Facebook dezentral organisiert. Zudem hielten sich organisierte Gruppen in der Mobilisierung deutlich zurück, was auch den Donnerstagdemos lange eine breites Ansehen und ein vielfältiges antifaschistisches Bündnis, das bis in monarchistische Kreise reichte, ermöglichte. Daneben poppten immer weitere Initiativen auf, es gab Public Netbase und Gett0attack, den Widerstands M.U.N.D und Volxtanz, es gab Soundpolitisierung und Electronic Resistance, es gab FreeRePublic und eine Widerstandsbäckerei und all das und vieles mehr kann es immer wieder geben – die Kategorie des Neuen sollte nicht überstrapaziert werden – zumal es viele Aktivist*innen gibt, deren (Kindheits-) Erinnerungen nicht bis 2000 reichen.

Die oftmals halbherzig und nur gewohnheitsmäßig erwähnte Solidarität, der gemeinsame politischen Kampf gegen die extreme Rechte in Österreich und in anderen europäischen Staaten muss zu einer tätigen Praxis werden. Akribische Recherche, Dokumentation und Aufklärung einerseits und politische Vernetzung mit widerständigen Gruppen, Initiativen und Parteien in Europa kann Geflüchteten Schutz bieten, muss dem hegemonialen Wahn in der Ablehnung des Fremden kapitalismuskritische Fakten und eine attraktive politische Perspektive entgegenhalten. Am 20. September 2018 wird es in Wien ein informelles Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs zur Inneren Sicherheit geben. Man will sich mit den Kontrollen an den EU-Außengrenzen, Informationsaustausch, operationeller Zusammenarbeit, Sicherheit und Strafverfolgung im Cyberspace mit der Verhinderung von Radikalisierung befassen. Österreich übernimmt die Präsidentschaft mit 1. Juli. Was immer hilft, diese Regierung lächerlich zu machen und einen Keil zwischen kapitalistische Interessen und Rechtsextremismus zu treiben, ist gut und nützlich, damit es ehebaldigst heißt: Ciao BlauBlau!


(1) Jörg Haider am 4. April 2005 bei der Neugründungs-
Pressekonferenz des BZÖ.

(2) Vgl. z. B. Heribert Schiedel am 29.01.2018 im
Republikanischen Club „Wofür steht das F bei der FPÖ?“
https://youtube.com/watch?v=2mMqR99Rc-0&feature=youtu.be

(3) Mehr zu Andreas Mölzer: https://www.doew.at/
erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/
biographische-angaben-zu-andreas-moelzer


(4) http://www.demokratiezentrum.org/wissen/timelines/die-ersteoevp-
fpoe-koalition.html



online seit 16.11.2018 10:30:58 (Printausgabe 82)
autorIn und feedback : Heide Hammer




Widerstand Tag XYZ

Ein Diskursiv zu den Protesten gegen Schwarzblau (März 2018, MALMOE #82)
[17.11.2018,Redaktion]


Gegen den Normalzustand

aus dem Diskursiv:
Widerstand Tag XYZ [16.11.2018,Brigitte Theißl]


Ungewöhnliche Allianzen

aus dem Diskursiv:
Widerstand Tag XYZ [16.11.2018,Bernadette Schönangerer]


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