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  Labyrinth #4

Die Herausforderung einer gelebten Solidarität

Nach dem vereitelten Putschversuch in der Türkei und den darauf­folgenden „Säuberungsmaßnahmen“ der Regierung stellt sich auch in Österreich die Frage, wie es möglich ist, sich mit progressiven Kräften zu solidarisieren.

In der deutschsprachigen Berichterstattung ist nach dem Putschversuch in der Türkei vor allem eine Erzählung dominant: Erdoğan, der den Putschversuch als „Geschenk Gottes“ bezeichnete, versucht die Gunst der Stunde zu nutzen, um sich endgültig zum unumstößlichen Alleinherrscher zu manövrieren. Eine Beobachtung, die nicht falsch ist, für manche Beobachter*innen jedoch nur die halbe Wahrheit widerspiegelt. So interpretieren der Türkeiexperte Murat Çakır und der Journalist Ömer Erzeren die Maßnahmen nach dem Putschversuch auch als Zeichen der Erschütterung des AKP-Regimes. Anstatt einseitige Vorstellungen zu übernehmen, fragen sie: Wie stark kann ein Regime sein, in dessen Staatsapparaten nun ein Vakuum entstanden ist, weil es einen großen Teil seiner Bediensteten entlassen hat? Eine Perspektive, die ermöglicht, über derzeitige Interventionsmöglichkeiten für fortschrittliche Kräfte im Land nachzudenken.

Auch in Österreich ist die Rede vom „türkischen Wien“ als verlängerter Arm Erdoğans. Die Wahlergebnisse der türkeistämmigen Community und die Demonstrationen nach dem Putsch scheinen das zu bestätigen. Wie schwer die Voreingenommenheit gegenüber der Türkei und die türkeistämmige Community in Österreich wiegt, illustrierte zuletzt die Debatte über die EU-Beitrittsverhandlungen, deren Abbruch Bundeskanzler Kern und Außenminister Kurz in rauem Ton forderten – und dabei nicht nur von der FPÖ Lob kassierten. Versuche der Solidarisierung, die über Lippenbekenntnisse hinausgehen, stehen in Österreich aufgrund dieser wirkmächtigen Bilder vor besonderen Schwierigkeiten.

Was hingegen passiert, wenn sich „Linke“ mit allem solidarisieren, was sich „demokratisch“ nennt, zeigt die Demonstration, die von der „Neuen Linkswende“ gemeinsam mit der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), einer Lobby-Organisation der AKP, in Wien organisiert wurde. Im Jubel um die „einfachen Menschen“, die sich dem bewaffneten türkischen Militär heroisch entgegenstellt hätten, wurden nationalistische Parolen skandiert und kurdische Lokale ramponiert. Mehrmals war der faschistische Gruß der Grauen Wölfe zu sehen. Klar wurde: Nicht allein Unwissenheit über das migrantische Milieu führt zu solch absurden Solidarisierungen. Sondern es verunmöglicht auch ein wohlwollender und blinder „antirassistischer Reflex“ mancher Gruppierungen einen kritischen Blick auf migrantische Akteur*innen. Im äußersten Fall werden Demokratiefeinde plötzlich zu Genoss*innen.

Brauchbare Solidarität mit Demokrat*innen in der Türkei setzt deshalb viel Arbeit in Österreich voraus: Die Marginalisierung von progressiven migrantischen Milieus muss kritisiert und Berührungsängste müssen abgebaut werden. Jene, die sich solidarisieren wollen, müssen sich aufrichtig Wissen über die Heterogenität der migrantischen politischen Landschaft, ihrer Konflikte und Akteur*innen aneignen – ohne Scheu vor angebrachter Kritik an Organisationen, die diese verdienen. Nur das ehrliche Interesse als gelebte Solidarität ermöglicht dann, die Gratwanderung zu meistern, notwendige Türkei-Kritik von der Aufwärmung hiesiger und der Übernahme anderer Ressentiments zu trennen.

online seit 22.02.2017 09:55:25 (Printausgabe 76)
autorIn und feedback : Laurin Lorenz, Volkan Ağar




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